Blown Away: Wenn Promaja dich Meier macht

18. Mai 2018

Nichts fürchtet der Jugo so sehr wie das offene Fenster. Denn durch dieses schleicht sich die tückische, todbringende Zugluft. 

Von Ivana Cucujkic

Wien im Sommer ist super. Ich genieße die ersten heißen Tage in meiner Stadt sehr, bloß U-Bahn- Fahren wird zur alljährlichen windigen Tortur. Kaum knackt das Thermometer die 20°-Marke, wird in den Ö s blankgezogen. Die Wiener sind nämlich leidenschaftliche U-Bahn-Fensterkipper und frönen der luftigen Abkühlung nur zu gerne. Für mich gut gelernten Jugo der blanke Horror, lässt man sie doch mit jedem geöffneten Fenster walten und ihr Unheil verbreiten: die Zugluft. Und Zugluft, die gemeine „promaja“, ist ganz schlimm, das weiß doch jedes Balkankind. 

CHOLERA? NEIN, PROMAJA!

Sie ist Verursacherin von Kopfweh, Zahnschmerzen, Grippe. Selbst Rheuma kann auf promajatische Ursachen zurückgeführt werden. So berichten zu- mindest Promaja-Überlebende älterer Generationen. Ja, sie bringt sogar den Tod! 

Ich lehne mich geographisch also nicht zu weit aus dem (auf einer Seite des Raumes geö neten!) Fenster, wenn ich die Angst vor Zugluft als Balkan- Phänomen bezeichne. Meinte man, dass den krisenerprobten Balkanesen nichts so schnell nervös machen kann, schaltet er bei innerräumlichen Luftbewegungen in den Survival-Modus.  Meine Mutter beispielsweise gehörte nie zu den Betüdel-Muttis, die mit Bepanthen-Creme bewa ffnet bei jedem Husten die 144 wählten. Vor zwei Dingen hat sie mich jedoch stets panisch gewarnt: Ich solle nicht auf kaltem Beton sitzen, da verkühle ich mir noch die Eierstöcke. Zweitens, und noch viel wichtiger: „Hüte dich vor der Zugluft.“ („Pazi se promaje!“) Balkan-Mamas wären ja wahre Rabenmütter, stopften sie ihrem (ja, auch längst erwachse- nen) Nachwuchs nicht bei jeder Gelegenheit etwas Essbares in den Mund, und! scheuchten sie diesen nicht stets fürsorglich aus dem todbringenden Durchzug. Alles andere kann man mit Rakija und Essigsocken heilen. 

KEEP CALM AND FENSTER ZU! 

Promajas natürliche Feinde sind Familienfeiern. Verspürt jemand kühle Luftzirkulationen im Nackenbereich, haben mindestens drei weibliche Hände ein Tuch oder ein anderes, vor Promaja schützendes Textil gri bereit für die empfindliche südosteuro-päische Schulterpartie. Gesundheitsvorsorge à la Balkan.  Wird in der westeuropäischen Populärmedizin jedem körperlichen Gebrechen „Stress“ als Ursache attestiert, weiß der Jugo ganz genau, was dir wie- derfahren ist: „Pa, du warst sicher in Promaja!“ Befolgt man also folgende Promaja-Rules, darf man sich auf ein langes Leben freuen: Öffne niemals zwei gegenüberliegende Fenster gleichzeitig, oder ein Fenster und eine Türe. Schließe stets alle Fenster, bevor du die Eingangstüre zur Wohnung ö ffnest. Am allerbesten aber, du lässt überhaupt sämtliche Raumöffnungen einfach geschlossen. Auch im Sommer. Und erst recht im Zug. Denn Zug im Zug geht gar nicht. 

In diesem Sinne: Keep calm and moch’s Fenster zu da vorn! ●

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