Das erste Mahl in Sarajevo

02. September 2011

Mit 32.000 Restaurants hat McDonald’s die Welt überzogen. Nur  Bosnien blieb Burger-freie Zone.
Seit Juli leuchtet das Symbol des Westens, das gelbe M, nun auch in Sarajevo und die Bosnier raufen sich um ihren ersten Big Mac. Ćevapi in Gefahr?


Von Melisa Aljović und Dejan Vekić (Fotos)

 

 

 

Aufgeregt steht Nermin in der Schlange, lange hat er schon auf diesen Moment gewartet. Bisher kannte er all das nur aus dem Fernsehen und von Erzählungen, doch heute wird er seine Burger-Premiere beim Mäci erleben. Als er endlich an der Reihe ist, überfordert ihn die Auswahl. Sein Kumpel Mirza steht ihm beratend zur Seite, er kennt das alles von Familienbesuchen in Wien. „Zwei Big-Mac-Menüs mit Cola und ohne Gurken“, bestellt der 22-Jährige Jus-Student fachmännisch und erntet dafür bewundernde Blicke von den Mädls, die hinter ihm in der langen Schlange stehen.


Während die zwei Jungs die Wartezeit mit Flirteinlagen füllen, stiften gurkenlose Big Macs Verwirrung im noch neuen Küchen-Team. Doch wenig später erhalten Mirza und Nermin ihre Burger mit dem strahlendsten Lächeln, das Kassiererin Adela zu bieten hat.

 

 

 

Security Adis hat die Schlange fest im Auge und forscht nach Unruheherden. Es kommt nicht selten vor, dass Kunden, genervt von der Warterei und dem Gedränge in der Schlange, aggressiv werden. „Es ist in den vergangenen Wochen schon zu Schlägereien gekommen, wir mussten sogar ein Mal die Rettung rufen“, berichtet Adis  und meint auch den Grund dafür zu kennen: „Jeder will der Erste sein. Viele hier waren noch nie in einem McDonald’s, das ist für sie eine Sensation. Sie wollen endlich wissen, wie ein Big Mac schmeckt, dafür nehmen sie auch Gewalt in Kauf.“

 


Heimaturlaub bei McDonald’s
Friedlich geht es oben auf der Terrasse zu. Haris und Dzemo sitzen gemütlich im Schatten und genießen ihre Hamburger. Auch im Heimaturlaub wollen die zwei in Schweden lebenden bosnischen Teenies nicht auf die schnelle Kost verzichten, mindestens ein Mal pro Woche kommen sie. Sie sind begeistert, dass es jetzt auch endlich in Sarajevo einen Mäci gibt und loben die niedrigen Preise:  „Bei uns in Göteborg zahlst du zehn Mal so viel für ein Menü.“

 

 

 


Niedrige Preise?! Das sehen Haris und Hadis anders. „15 Bosnische Mark haben wir jetzt gezahlt und sind noch immer nicht satt“, beklagen die beiden Medizinstudenten und stehen mit ihrer Meinung nicht alleine da. Die Fünfergruppe am Nebentisch nickt bestätigend: „Das McDo’-Essen schmeckt zwar sehr gut, aber es ist einfach zu teuer. Vom dem Preis, den wir hier für ein Menü gezahlt haben, können wir uns bei Željo den Bauch vollschlagen, bis wir platzen.“

 


Ćevapi schlagen zurück
Ein paar Straßen weiter, bei „Željo“, der bekanntentesten Ćevabdžinica der Stadt, boomt das Geschäft. Trotz Fastenzeit und großer Hitze sucht man vergeblich einen freien Sitzplatz. Die Frage, ob der vor Kurzem eröffnete McDonald’s Konkurrenz darstellt, erübrigt sich bei dem Anblick des proppevollen Gastgartens eigentlich schon, trotzdem lässt es sich Kellner Nihad nicht nehmen, uns zu erklären, warum kein Hamburger der Welt mit ihren Ćevapi konkurrieren kann: „Ćevapi sind die traditionelle Küche Bosniens. Sowohl Touristen als auch Einheimische, werden nie auf diesen einzigartigen Geschmack verzichten. McDonald’s hast du überall auf der Welt, die besten Ćevapi nur bei uns!“

 

 

 


To go or to stay?

Ein paar Ecken weiter, schüttelt auch Tarik Hodžić, ehemaliger Galatasaray-Spieler und  Besitzer der Ćevabdžinica Galak, auf die Frage nach einer möglichen Konkurrenz durch die US-Fastfood-Kette nur den Kopf: „Seit 25 Jahren bin ich nun im Geschäft und kann sagen, es läuft besser denn je. Sarajevo ist bekannt für seine Ćevapi und das wird auch immer so bleiben.“  Auf der Wand seines Restaurants reihen sich Fotos mit berühmten Persönlichkeiten aus Film, Politik und Fußball-Branche. „Die Mentalität Sarajevos, die weltweit begeistert, liegt eben im Genuss guten Essens und dem Kaffee danach. Wir sitzen stundenlang sitzen und unterhalten uns über Gott und die Welt. McDonald’s  entspricht diesem Bild nicht. Er erinnert mich mehr an die Mensa meiner damaligen Uni. Selbstbedienung, Coffee to go, keine Zeit für Entspannung und Genuss, was wir Menschen aus Sarajevo doch so schätzen.“ Dass sich  der neue Fastfood-Nachbar bewähren wird, das bezweifelt Hodžić, denn der Lifestyle des Westens sei den Meisten hier fremd.

 


Promi–Alarm
Aber auch ,Sarajevos McDonald’s kann bereits große Namen unter seiner Kundschaft verzeichnen. Allein an diesem Tag, begegnen wir Fußballlegende Sergej Barbarez, dessen McKaffee nach dem zwanzigsten Foto mit seinen Fans schon kalt geworden ist und der TV-Moderatorin Dejana Rosuljaš, die sich mit einem erfrischenden Milkshake von den heißen Temperaturen draußen erholt. Der McDonald’s-Eröffnung in Sarajevo hat die hübsche Moderatorin bereits entgegengefiebert: „Jede Metropole dieser Welt hat mehrere McDonald’s und wir  hatten keinen einzigen. Endlich hat sich das geändert und Sarajevo steht den anderen Städten in nichts mehr nach.“

 


Das Symbol des Westens
Damit spricht Rosuljaš eine zentrale Frage an, die Bosnien und Herzegowinas Einwohner jahrelang beschäftigte: „Wieso gibt es bei uns keinen McDonald’s?“ Und jene, die sich nun, nach der Eröffnung ergibt: „Was bedeutet das konkret für das gesamte Land?“  Während ihre Kinder begeistert einen Hamburger nach dem anderen verputzen, erzählen uns Geschichtsprofessor Salih und seine Frau Erna, dass bereits in den 90ern der Plan einen Mäci in Bosnien zu eröffnen in vollem Gange war, doch viele administrative Voraussetzungen nicht erfüllt werden konnten. Die erste Filiale sehen die beiden als einen weiteren, wichtigen Schritt Bosniens in die Internationalität. „McDonald’s steht stellvertretend für den Westen und all das, was er repräsentiert. Stabilität, Wohlstand, Anerkennung und das alles nun auch bei uns.“

 

 


Next Stop Mostar
Auch Managing Director Mehmed Pozderac sieht in Bosniens erstem McDonald’s Stabilität und Arbeitsplätze für das Land. Auf die Frage, wieso jetzt erst, erklärt er: „Hinter dem Konstrukt „McDonald’s“ steckt ein kompliziertes System. Die Voraussetzungen dazu erfüllt Bosnien und Herzegowina erst seit Kurzem.“ Der nächste McDonald’s sei aber bereits im Frühjahr in Mostar geplant, danach folgt nächsten Sommer ein weiterer in Sarajevo. Pozderac ist zufrieden, der Andrang habe alle Erwartungen übertroffen und schon bald werden nicht mehr nur die Klassiker, wie Big Mac und McChicken angeboten, sondern die ganze Palette zur Auswahl stehen.
Konkurrenzkampf zur klassischen bosnischen Küche sieht der Manager keinen: „Ćevapi sind Ćevapi, die lass’ auch ich mir nicht nehmen“, deshalb hat er sich auch besonders gefreut, als die  Ćevabdžinica „Mrkva“ zur Eröffnung 200 köstliche Ćevapi vorbeischickte.


„So ist das üblich im gastfreundlichen Sarajevo“, versichert Überbringer Ermin von Mrkva, dass die Geste freundlich und nicht provokant gemeint war. Er sieht das Ganze völlig entspannt und glaubt nicht, dass ihm Ronald McDonald nur einen einzigen Kunden abspenstig macht.

 


Friede, Freude, Fastfood
Nicht einmal Aisa, die Besitzerin des Grill-Imbisses „Tale“ quasi gegenüber vom neu eröffneten McDonald’s macht sich Sorgen um ihr Geschäft. „Die Leute kommen mit Mäci-Sackerln zu mir angerannt und verlangen nach einem Hamburger, weil sie drüben nicht satt geworden sind“, erzählt sie – und wir glauben ihr halt.
Der  Fastfood-Riese scheint jedenfalls keinem in Sarajevo zu schaden. Im Gegenteil. Alle scheinen überzeugt vom friedlichen Miteinander von Cheeseburger und Ćevap. Die Bewohner Sarajevos sind offenbar stolz, dass sie nun auch „dazugehören“ und in ihrer Stadt das gelbe M leuchtet – ob sie satt werden oder nicht.

 

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Ich war dort! :)

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