„Das sind Rechtsextremisten“

02. April 2015

Schwer verletzte ukrainische Militärs werden in Österreich medizinisch behandelt. Einer der Invaliden ist Mitglied des sogenannten „Rechten Sektors“. Die Russische Botschaft kritisiert die „einseitige Hilfeleistungen“.

Von Simon Kravagna

Die Russische Botschaft war not amused. Nein, Russlands Botschafter in Wien möchte biber kein Interview geben. „Wir empfinden es als unnötig auf solche Publikationen, wie in der März-Ausgabe des „Bibers“, zu reagieren“, heißt es aus der Presseabteilung. Lieber sollten wir uns in der kommenden Ausgabe mit dem Artilleriebeschuss von Wohnvierteln der ostukrainischen Städte durch Kiewer Streitkräfte beschäftigen. Oder über die humanitäre Katastrophe berichten, die im Osten durch die wirtschaftliche Blockade der Regierung in Kiew herbeigeführt wird. Was war passiert? In der März-Ausgabe berichtete biber über fünf ukrainische Soldaten, die der Krieg zu Invaliden gemacht hat und die in Österreich eine Rehabilitation erhielten. Mehr als die Story erregte unser Cover die Gemüter: „Danke Putin“ stand da zu lesen. Das fanden weder die russischen Diplomaten, noch viele biber-Leser in Ordnung. „Schade, euch unter einseitigen Kriegshetzern wieder zu finden“, postete eine Leserin auf Facebook. Oder aber gleich: „Nazi-Propaganda“. Viele andere Leser sahen das anders: „Sehr mutig. Respekt“, hieß es oft. Oder aber auch: „Endlich traut sich mal eine Zeitung über die Wirklichkeit zu schreiben. Danke.“ Tatsächlich gab es großes Echo auf unsere Story.

Ukrainer
ROMAN PILIPEY / EPA / picturedesk.com

Mehr als 380.000 Menschen sahen unser Cover auf Facebook, 3200 Mal wurde das „Danke Putin“-Cover geteilt, die Redaktion von positiven und kritischen Mails überschüttet. Selten hat eine biber-Geschichte so emotionalisiert. In der Ukraine sorgte das Cover für einen Medienhype. Etliche TV-Stationen und Zeitungen aus Kiew berichteten über die Story. „Euch kennt jetzt jeder dort“, meinte ein Journalist, der für einen ukrainischen Sender arbeitet. „Euch kennt jetzt jeder dort.“ Die Russische Botschaft lieferte neben Kritik an der biber- Berichterstattung auch einen journalistisch interessanten Hinweis. Einer der fünf Männer könnte ein Mitglied des berühmt- berüchtigten „Rechten Sektors“ (Prawyj-Sektor) und damit ein Angehöriger einer paramilitärischen Gruppe sein. Diese Organisation, so die Botschaft, sei in Russland verboten: „Für uns sind das Rechtsextremisten.“ Eine Einschätzung, die der Innsbrucker Politologe und Russland-Experte Mangott teilt. „Die Bewegung ist eindeutig rechtsextremistisch, russophob, antisemitisch und verherrlicht einen reaktionären ukrainischen Nationalismus.“ Konkret handelt es sich bei dem Mann um Olexandr K.  der nach seiner Rehabilitation in Österreich bereits wieder zurück in der Ukraine ist. Auf Nachfrage bestätigte er gegenüber biber: „Ich bin Mitglied des Prawyi Sektor, weil ich die Befreiung der Ukraine von der Besetzung durch den Kreml und die Einheit der Ukraine verfolge.“ In der Ostukraine habe er als Freiwilliger bei der 95. Airmobile Brigade gekämpft. Bei einem Kampfeinsatz wurde Olexandr K. schwer verletzt, er verlor ein Bein. Am Biber-Cover vom März ist er allerdings nicht zu sehen.

Prawyj Sektor, Rechter Sektor, Ukraine
bereitgestellt

Einseitig und wenig förderlich

Während der Kriegsopfer- und Behindertenverband vor dem Erscheinen der Cover-Story gegenüber biber versicherte hatte, dass alle fünf Männer reguläre Angehörige der ukrainischen Armee seien, war der ukrainischen Botschaft der politische Background von Olexandr K. bekannt, wie Botschafter Olexandr Scherba bestätigt: „Wir haben uns nicht direkt mit der
Auswahl der Leute beschäftigt. Als ich ihn besuchte, hat er mir aber gesagt, dass er aus dem Prawyi Sektor ist. Das war für mich kein Grund besorgt zu sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in Österreich jemand nicht behandelt werden kann, weil er im Prawyi Sektor war.“ Roman Ganopolskyi von der International Organisation for Support of Ukraine (IASU), die die Behandlung der fünf Männer in Österreich gemeinsam mit dem österreichischen Kriegsopfer- und Behindertenverband organisiert, meint dazu: „Wir haben dem politischen Background keine Aufmerksamkeit geschenkt. Die Aufgabe war es, den Leuten, die in der Ostukraine verletzt wurden, zu helfen.“ In der Russischen Botschaft sieht man die Sache anders:
„Auch wenn die Organisatoren der Aktion vielleicht edle Absichten hatten, ist es bedauerlich, wenn diese sich nicht genau ansehen, wen sie unterstützen. Wenn es darum geht Gutes zu tun, warum hilft man dann Militärs und nicht zivilen Opfern? Warum hilft man nicht verletzten Kindern oder Pensionisten? Das ist einseitig und wenig förderlich, um den Konflikt einzudämmen.“


Recht auf Unterstützung?

Hilft Österreich also ukrainischen Paramilitärs? Nein, sagt ein Sprecher des Österreichischen Außenministeriums. Die Initiative rund um die fünf ukrainischen Militärs sei rein privater Natur und ohne jegliche staatliche Unterstützung erfolgt. Die Regierung helfe ganz bewusst nur Zivilisten. „Alle Verletzten, denen von der österreichischen Regierung eine Behandlung finanziert und ermöglicht wurde, sind ausnahmslos zivile Opfer. Keine Soldaten. Das war auch eine Voraussetzung für die Behandlung.“ Bleibt die Frage, ob darüber hinaus auch verletzten Militärs geholfen werden sollte: Politologe Mangott warnt jedenfalls davor, den Konflikt in der Art der Hilfestellung zu reproduzieren und fordert, dass die Unterstützung alle Konfliktparteien einschließen sollte: „Sobald jemand so schwerwiegend verletzt wurde, sollte ihm unabhängig von seiner Herkunft und politischen Überzeugung die Unterstützung zukommen, die wir in Österreich geben können. Das heißt sowohl russische, ukrainische Soldaten, als auch Paramilitärs haben das Recht auf Unterstützung."


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„Der „Prawyj Sektor“ ist russophob.“

Auch Paramilitärs haben das Recht auf humanitäre Unterstützung, so Gerhard Mangott, Professor für internationale Politik an der Uni Innsbruck.

Von Amar Rajković

biber: Herr Mangott, biber hat auf seinem letzten Cover ein Bild von drei einbeinigen, ukrainischen Soldaten mit dem Titel „Danke Putin“ veröffentlicht. Was ist Ihr erster Eindruck?
Gerhard Mangott : Das Cover zeigt die zweifellos schrecklichen Folgen der Kriegsauseinandersetzungen in der Ukraine. Die Verwundeten haben das Glück gehabt, nicht zu den 7000 Menschen zu zählen, die dem Krieg bereits zum Opfer gefallen sind.

biber-Cover
Foto by Marko Mestrovic

Einer der Soldaten, die im Text vorkommen, wird dem „Prawyj Sektor“ zugesprochen. Was macht den „Prawyj Sektor“ aus?
Der „Prawyj Sektor“ war ein wichtiges Element des bewaffneten Widerstandes gegen die frühere Regierung der Ukraine. Die Bewegung ist eindeutig rechtsextremistisch, russophob, antisemitisch und verherrlicht einen reaktionären ukrainischen Nationalismus. Der Rechte Sektor ist politisch völlig marginalisiert. Die Freiwilligenbataillone setzen aber auf die Unterstützung des „Prawyj Sektor“, der sich an den Kämpfen in der Ostukraine beteiligt. Sie operieren dort unter eigenem Kommando.

In wie weit ist Russland in diesem Krieg involviert?
Die Verantwortung der Ukrainekrise muss von mehreren Seiten getragen werden, aber an der militärischen Eskalation der Auseinandersetzung ist Russland entscheidend beteiligt. Russland
finanziert die Aufständischen, unterstützt sie logistisch und versorgt sie mit Waffen. Außerdem sind Russen mit eigenen Spezialtruppen an den Kämpfen beteiligt. Was nicht ausgespart
werden darf, ist die Tatsache, dass die ukrainische Regierung in den Kämpfen gegen die Separatisten militärisch brutal vorgegangen ist und viele Zivilisten dabei ums Leben gekommen
sind.

Berichten westliche Medien zu einseitig von der Ukraine-Krise?
Die meisten westlichen Journalisten bemühen sich nicht, ein differenziertes Bild zu vermitteln. Viele haben angefangen, die Rolle eines Aktivisten zu übernehmen, anstatt nüchtern zu berichten und zu analysieren.

Wollen tatsächlich alle Menschen aus der Ostukraine eine Loslösung von Kiew?
Umfragen vor dem Konflikt zeigen, dass die Zahl der Befürworter für einen Russlandanschluss relativ niedrig ist – weniger als ein Drittel der befragten Menschen aus den Regionen Donezk
und Lugansk sprachen sich für einen Anschluss an Russland aus. Inwiefern die Kampfhandlungen der letzten Monate die Stimmung verändert haben, lässt sich nicht genau nachvollziehen
- nicht zuletzt aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen.

Die Russische Botschaft kritisiert die einseitige Hilfestellung. Wem sollte geholfen werden?
Sobald jemand so schwerwiegend verletzt wurde, sollte ihm unabhängig von seiner Herkunft und politischen Überzeugung die Unterstützung zukommen, die wir in Österreich geben können. D.h. sowohl russische, ukrainische Soldaten, als auch Paramilitärs haben das Recht auf Unterstützung. Sonst reproduziert man in der Hilfestellung den Konflikt noch einmal.

Mangott
bereitgestellt


Gerhard Mangott ist Professor für internationale Politik an der Universität Innsbruck.

 

 

 

 

 

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