"Die Schüler sprechen bereits Deutsch!"

18. Januar 2016

Flüchtlinge
Foto: Christoph Liebentritt

Die Anton-Krieger-Gasse-Schule hat 14 Flüchtlingskinder aufgenommen und erfolgreich integriert. Schulleiter Michel Fleck spricht mit biber über ihre Herkunft, Deutschkenntnisse und die Reaktion der Lehrer.

Von Onur Kas und Christoph Liebentritt (Foto)

Biber: Wie haben Ihre Kollegen und die Eltern darauf reagiert, dass Sie Flüchtlingskinder unterrichten wollen?

Michel Fleck: Sehr positiv. Als ich dieses Vorhaben bei der Lehrerkonferenz bekanntgab, haben meine Kollegen applaudiert. Unsere Schule hat ein offenes Herz für Menschen unterschiedlicher Herkunft, die sich in einer schwierigen sozialen Lage befinden. Es gibt sehr viele Kollegen, die sich über den Unterricht hinaus engagieren und sich mit den Kindern zusammensetzen. Es waren sogar Klassen dabei, die gefragt haben, ob sie auch einen Flüchtling bekommen.

Wie funktioniert das gemeinsame Lernen?

Es gibt geflüchtete Kinder, die bereits Deutsch und Englisch sprachen. Die konnten sich in die Klassen erfolgreich integrieren. Selbst jene, die kein Deutsch sprechen, konnten auf unsere Schüler zurückgreifen, die Arabisch oder Farsi als Muttersprache haben. Deswegen schauen wir, dass wir die Flüchtlinge mit diesen Kindern zusammentun und sie dadurch Anknüpfungspunkte bekommen. In Fächern, wo die Sprache nicht so wichtig ist, etwa in Bewegung und Sport, sind sie schon voll integriert!

Wie genau wird die deutsche Sprache an Flüchtlingskinder vermittelt?

Deutsch wird in Förderkursen vermittelt. Die Lehrperson wird dafür extra bezahlt, dass sie sich vier Stunden in der Woche mit den Kindern zusammensetzt und ihnen Deutsch beibringt. Die Lehrkräfte sind allesamt Sprachlehrer. Sie sind aber nicht extra dafür ausgebildet worden, sondern haben eine gewöhnliche Lehrer-Ausbildung. Wir waren ja auf diese Ereignisse nicht vorbereitet.

Wie hoch ist die Leistungsfähigkeit der Neuankömmlinge?

Der Leistungsstand ist tendenziell sehr hoch. Sie sind irrsinnig dankbar für die Plätze zum Lernen und unglaublich schnell beim Spracherwerb. Das sind noch Kinder, die hohe Ambitionen haben. Als sie erfuhren, dass sie nicht in eine höhere Klasse eingeschult werden können, waren sie enttäuscht.

Aus welchen Ländern und Umständen kommen die neuen Schüler?

Sie kommen hauptsächlich aus Syrien und Afghanistan. Viele leben schon seit einigen Monaten in Österreich und sind vor der großen Flüchtlingswelle hierhin geflüchtet. Natürlich lernen hier auch Schüler, die ganz frisch in Wien sind. Ein Mädchen beispielsweise war zuvor zwei Jahre in einem Flüchtlingslager in der Türkei interniert. Der Vater lebt aber in Wien und hat es geschafft, seine Tochter nach Österreich zu holen und in unserer Schule anzumelden. Es gibt auch drastischere Fälle. Einige Burschen sind ganz ohne ihre Familien geflüchtet, da diese im Krieg umgekommen sind.

Vor allem der konservative Gesellschaftskreis verlangt, dass Flüchtlings- und Migrantenkinder ohne Deutschkenntnisse in gesonderten Klassen unterrichtet werden müssen, damit sie den Fortgeschrittenen nicht zur Last fallen. Was halten Sie von dieser Forderung?

Ich halte es für sinnvoll, wenn man separate und spezifische Kurse anbietet, aber niemals komplett. Wie sollen sich die Kinder da integrieren? Freundschaften entstehen in gemischten Klassen. Wenn Flüchtlings- und Migrantenkinder nur untereinander Freundschaften schließen, entstehen Ghetto-Klassen. Das wollen wir in unserer Schule verhindern.

Deutsch als verpflichtende Sprache auf Schulhöfen. Ist das durchsetzbar?

Natürlich nicht. Da müsste jeder Lehrer hinter den Schülern stehen und sie auffordern, Deutsch zu sprechen. Das ist unrealistisch. Solche Verpflichtungen sind überflüssig. Die Schüler sprechen bereits Deutsch auf dem Schulhof. 

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