Er twittert nicht, will nicht ins Facebook und pfeift auf ein Smartphone. Dafür kennt sich Wiens Bürgermeister Michael Häupl mit dem Maya-Kalender aus und erklärt, warum die US-Ratingagenturen „Arroganzlinge“ sind. 

biber: Herr Häupl, wie oft sharen, liken und taggen Sie täglich?

MICHAEL HÄUPL: Was mach’ ich?

Das gehört zur Facebook-Sprache und bedeutet „teilen“, „mögen“ und „markieren“.

Ganz im Ernst: Über dieses Alter bin ich weit hinaus. Ich twittere nicht und bin auch nicht auf Facebook.

Laut Facebook haben Sie aber ein eigenes Profil.

Es gibt immer wieder falsche Profile. Und es ist nicht immer leicht, diese vom Netz nehmen zu lassen. 

Geht Ihnen dabei kein wichtiger Kommunikationskanal verloren? FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache hat immerhin mehr als 100.000 Fans.

Kann sein, aber bekanntlich hat der Ziegelstein sogar mehr Fans. (Anm. der Redaktion: Die Aktion „Kann dieser seelenloser Ziegelstein mehr Fans als HC Strache haben?“ hat mehr als 200.000 Likes). Derartigen Wettbewerben  setze ich mich nicht aus.  Das sollen andere tun, wenn sie meinen dass sie es brauchen. 

Sie sind also nie online?

Ich nutze das Internet wie jeder andere zur Informationsbeschaffung. Aber mit dem, was ich unter „miteinander Reden“ verstehe, hat das alles nichts zu tun. Und diese persönlichen, narzisstischen Darstellungen sind auch nicht meine Welt. 

Haben Sie ein Smartphone?

Ich habe ein ganz normales Handy, mit dem ich Mails abrufen kann. Da fällt mir ein, ich bekomm’ ja heute ein Neues.

Was für eines?

(Michael Häupl blickt zu seinem Pressesprecher) Ich weiß es nicht. Das ist mir  auch nicht wichtig. Meine Anforderungen soll’s erfüllen. 

Können Sie bei Konversationen à la: „Was für Apps sind auf deinem Smartphone und wie viel Hubraum hat dein Auto?“überhaupt mitreden?

Dafür habe ich meinen Sohn, der da sehr bewandert ist.

Apropos Häupl Jr.: Was haben Sie ihm zu Weihnachten geschenkt?

Er hat ein Gerät zum Einlesen von Fotos auf den Computer gekriegt. Nichts Spektakuläres.

Ist das bescheidene Geschenk auf die angespannte Wirtschaftslage zurückzuführen?

Ich bin nicht der verbreiteten Auffassung, in Zeiten einer wirtschaftlichen Krise müsse man möglichst viel Geld unter der Matratze horten. Im Gegenteil: Man muss aus einer Krise heraus investieren und nicht in die Krise hineinsparen. 

Ist es reiner Zufall, dass ausgerechnet die südlichen Länder wie Griechenland, Portugal, Spanien und Italien viele Schulden haben?

Nein. Das hat mit erheblichen Schwächen der dortigen Steuersysteme zu tun. In den südlichen Ländern kommen die Vermögenden – verglichen zu ihren nordeuropäischen Kollegen – sehr gut weg. Die reichsten Griechen, nämlich die Reeder, zahlen gar keine Steuern. Da kann man schon erahnen, dass es da Ungerechtigkeiten gibt. Zudem ist Steuerhinterziehung ganz generell in diesen Ländern noch immer ein Kavaliersdelikt.

Vielleicht ist alles einfacher und dort wird einfach nur zu wenig gearbeitet.

Von diesen Vorurteilen halte ich wenig. 

Wer sind für Sie dann die „Bösen“ in der Finanzkrise?

Die Arroganzlinge von der US-Ratingagentur Standard & Poors. Mich überrascht deren unfassbare Überheblichkeit. Die Rating-Agenturen sind der wichtigste Drehmotor zum tieferen Hineinschlittern in die Krise. 

Wieso lässt sich die Politik so viel gefallen?

Eine extrem gute Frage, die mich in diesen Tagen beschäftigt. Wieso gibt es keine europäische Rating-Agentur? Wieso gibt es nicht längst ein Verbot für amerikanische Rating-Agenturen in Europa? Der Bundesstaat Minnesota ist effektiv pleite und hat nach wie vor dasselbe Rating wie Österreich – AA+. Das kann es ja nicht wirklich sein. In Wirklichkeit handelt es sich um einen Wirtschafts-  und Währungskrieg der USA gegen Europa. Und leider kann  Barack Obama das in den USA nicht verhindern . Schlimm ist auch, dass Europa so uneins ist. Die Engländer degenerieren ja derzeit zum 51. US-Bundesstaat.

Zurück nach Wien. Sie wollen, dass es in Wien bald eine „Charta des Zusammenlebens“ gibt. Was soll denn das sein?

Wir werden Spielregeln entwickeln, die in Wien für alle gelten. Ich betone für alle, also nicht nur für die Zuwanderer. Es ist mir ja ein Rätsel, warum ausgerechnet Leute mit einem böhmischen Namen oft die größten Ausländerfeinde sind.  Warum gibt es so viele Menschen aus der ersten und zweiten Generation der Migranten, die gegen Neu-Zugewanderte schimpfen?

Es ist aber so, dass manche Migranten gerne unter sich bleiben.

Das kann ich ihnen nicht verbieten. Ich kann auch nicht den alten, grantigen Männern verbieten, sich weiterhin in FPÖ-Zirkeln zu treffen. 

Laut dem Maya-Kalender geht die Welt am 21. Dezember 2012 unter. Was haben Sie bis dahin persönlich noch so vor? 

Das ist ja die allerdümmste Diskussion. Die Maya haben ja nie behauptet, dass an diesem Tag die Welt unter geht. Tatsache ist, dass ihr Kalender in Form einer Scheibe aufgemalt war. Wenn man auf einer Scheibe einen Kreis entlangfährt, gibt es bekanntlich einen Punkt, wo man zum Anfang gelangt – weil die Scheibe zu Ende ist. Zufälligerweise geht die Scheibe der Mayas am 21. Dezember 2012 unserer Zeitrechnung zu Ende. Wenn die europäischen Konquistadoren die Hochkultur der Mayas nicht ausgerottet hätten, hätten die Maya eine neue, größere Scheibe genommen. Und wir hätten keine hysterische Panikmache weltweit. Also: Die Welt geht 2012 nicht unter. Da sorge ich mich wirklich viel mehr um konkretere Dinge wie die Klimafrage oder die Umweltverschmutzung.

von Simon Kravagna, Amar Rajković und Michele Pauty (Foto)