GETÜRKTES WIEN

27. Mai 2010




Türkenmadonna, Türkentaufe, Türkenritthof: überraschende Spuren der Türken in Österreich.

 

Von Linda Say und Wuk Şvabovič

 

Zweimal standen sie vor den Toren Wiens und beide Male hieß es: „Ihr kommts hier ned rein!“ Tatsächlich blieb von den Türkenbelagerungen außer Kaffee und Kipferl nicht viel im Wiener Gedächtnis. Dabei ist auf die gefürchteten „Dürkhen“ mehr zurückzuführen, als kulinarische Köstlichkeiten. biber machte sich auf die Spuren von Sultan Süleyman und Kara Mustafa und traf auf skurrile Spuren der Türkenbelagerungen:

 

Türkenmadonna

Auch wenn viele die vollbusige, ins Alter gekommene Sängerin Seda Sayan für die türkische Madonna erklären, so ist die echte Madonna der Türken noch viel älter und vor allem frommer. Treffen kann man sie im Wiener Stephansdom. Dort hängt das Bild der Jungfrau Maria, das der Kaiser dort aufstellen ließ, nachdem er die Schlacht gegen die Türken gewonnen hatte. Als aus dem Abbild plötzlich Tränen flossen, die selbst bei Tieftemperaturen nicht gefroren, führte man das auf die Türkenkriege zurück. Seitdem wurde bei jedem Wickel mit den Türken die Türkenmadonna um Hilfe gebeten. Das sollten so manche Politiker auch einmal probieren, vielleicht hilft’s…

 

 

 

Türke im Schornstein

In Purbach darf man sich nicht wundern, wenn statt dem Weihnachtsmann ein versteinerter turbantragender Osmane aus dem Schornstein guckt. Der wurde bei der ersten Türkenbelagerung von der Dorfgemeinschaft erwischt, als er nach einer misslungenen Plünderung durch den Kamin fliehen wollte. Er wurde daraufhin zum Christen getauft und durfte als Knecht im Hause weiterleben.

 

Türkentaufe

Ähnlich erging es auch anderen türkischen Kriegsgefangenen. Im Gegensatz zu den Osmanen waren die Katholiken nämlich nicht tolerant, wenn es um andere Religionen ging. So war es eine Zeit lang sogar Mode, türkische Gefangene zu konvertieren und deren Patenschaft zu übernehmen. Anders als der Schornsteintürke, arbeiteten die „Neuwiener“ mit fortan deutschem Namen unter anderem als Handwerker. So wurden sogar Maria Theresias Vater und Prinz Eugen Paten eines Vorbeters namens Imam Mehmet Efendi der nun Karl Eugen Leopoldstätter hieß und als Kaffeesieder ein neues Leben begann.

 

Türkenritthof

Der Name des Hauses, das 1927 in Wien als städtische Wohnhausanlage erbaut wurde, ist auf einen alten Brauch zurückzuführen. Nachdem die Türken besiegt und die Ängste verflogen waren, spottete man dem Feind, indem man alljährlich einen als Pascha verkleideten Mann rückwärts auf einem Esel reiten ließ. 1738 wurde diese allgemeine Belustigung jedoch abgeschafft.

 

Kruzitürken

Dieses Schimpfwort haben Ausdrücke wie „Kanacke“ oder „Kümmeltürk“ schon längst verdrängt. Trotzdem gibt es kaum Österreicher, die diesen Begriff nicht schon mal gehört haben. Dabei sind mit „Kruzitürken“ gar nicht die Türken gemeint. Die Kuruzzen waren nämlich ungarische, protestantische Partisanen, die Kara Mustafa als Verbündete im Krieg gegen den Kaiser dienten. Die Wiener kreierten ein neues Wort und bezeichneten die Christenbrüder, die sich in den Dienst des Halbmondes gestellt hatten, schlicht als Kruzitürken.

 

Die Liste der Türkenbegriffe ist lang: Von Türkenkugel über Türkenloch bis Türkenschanzpark gibt es für aufmerksame Beobachter weit mehr türkisches Wien zu entdecken, als Kebabbuden, türkischen Kaffee und Kopftuchfrauen.

 

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Kommentare

 

extrem geiler Artikel! Drückt den lieben Rechten mal schön ordendlich in die Wunde, wenn sie sehen, dass Wien mehr mit den Türken zu tun hat, als ihnen lieb ist...

 

(Zitat)
"Türkentaufe

Ähnlich erging es auch anderen türkischen Kriegsgefangenen. Im Gegensatz zu den Osmanen waren die Katholiken nämlich nicht tolerant, wenn es um andere Religionen ging."
(Zitat Ende)

Sehr gut recherchiert, da die Osmanen bei den meisten Österreichern als barbarisches, kaltblütig mordendes, intolerantes Heer gilt.
Dabei haben im Osmanischen Reich verschiedene Religionsgruppen ihre eigene Gemeinschaft gehabt und sich ziemlich frei ausleben dürfen.

Als 1492 Spanien erstmals mit der Judenvertreibung begann und Portugal dem folgte, hieß das Osmanische Reich die verjagten Juden willkommen.

Cooler Bericht!!!

 

Osmanisches Reich
→ Siehe auch: Völkermord an den Armeniern und Völkermord an den Aramäern

1894 kam es im Bergland von Sassun (Muş (Provinz)) zu einem Blutbad an den christlich-orthodoxen Armeniern. Diese wurden von den Kurden bedrängt und von der türkischen Regierung nicht geschützt. Als sie daraufhin Steuern verweigerten und in Istanbul demonstrierten, gingen die Behörden in der ganzen Türkei gegen sie vor: Nach amtlichen Dokumenten wurden 328 Kirchen zu Moscheen umgewandelt, 88.243 Armenier getötet und ungezählte christlich getaufte Armenier zum Übertritt zum Islam genötigt. Nur sie waren vor weiterer Verfolgung sicher.

Mit getroffen wurden schon 1895 die Aramäer, ein alte christliche Minderheit von etwa 150.000 Angehörigen im kurdischen Bergland. Viele flohen ins Ausland, etwa nach Syrien und in den Irak.

In der Folge waren die noch übrigen Christengemeinden vielfach Plünderungen ausgesetzt; bis 1896 starben weitere geschätzte 20.000 türkische Armenier an Hunger, Seuchen und Raubmorden. Bis zu 100.000 Armenierinnen sollen in muslimische Harems verschleppt worden sein.

1909 brachte eine erneute Verfolgung. Aber erst 1916 im 1. Weltkrieg wurde daraus eine systematische Deportation, die auf die Ausrottung des armenischen Volkes zielte: Die Männer – auch die, die in der türkischen Armee waren – wurden in den Ortschaften direkt getötet, die Frauen und Kinder verschleppt, wobei die meisten den Tod fanden. Dies betraf um 1,3 Millionen Menschen, von denen etwa zwei Drittel umkamen.

Die Christen, die damals aus der Türkei in den Irak fliehen konnten, wurden dort 1933 erneut verfolgt, so etwa beim Massaker von Semile. Dabei spielten nationalistische Gründe mit: Die Christen unter den Kurden hatten mit Unterstützung der Briten und Franzosen einen unabhängigen Staat angestrebt und damit den Hass der türkischen Nationalisten und der irakischen Panarabisten auf sich gezogen. Formaler Anlass war ein angebliches Vergehen gegen nichtreligiöse Staatsgesetze; ein religiöser Christenhass war jedoch gegeben. Nur etwa 30.000 aramäische Christen überlebten.

aus http://de.wikipedia.org/wiki/Christenverfolgung#Osmanisches_Reich

 

"→ Siehe auch: Völkermord an den Armeniern und Völkermord an den Aramäern"

ich freue mich schon auf die Kommentare :D

 

nicht das erste mal. Dann wird ganz brav abnormalen Jugendlichen die Schuld in die Schuhe geschoben.

 

...hat aber ein glaubensbruder die tat verübt.

 

linda auf spurensuche :-)

echt netter artikel, den purbacher türken habe ich schon
in meiner schulzeit im geschichtsbuch dokumentiert gehabt...

mfg
fred

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