Immer Ärger mit der MA 35

26. April 2021

Lange Warteschlangen, langwierige Prozesse und absurde Nachforderungen: Davon können Menschen, die regelmäßig mit der MA 35 zu tun haben, ein Liedchen singen. Nun lassen die Grünen die Einwanderungsbehörde vom Stadtrechnungshof prüfen. Wird sich endlich etwas ändern? BIBER sprach mit Betroffenen, sowie mit dem Abgeordneten der Grünen Nikolaus Kunrath über die Zustände beim Amt.

von Nada El-Azar

Kaum eine andere Behörde hat in Wien einen so schlechten Ruf wie die Einwanderungsbehörde Magistratsabteilung 35. Erst im Februar teilte die serbischstämmige Olga Kosanović ein persönliches Video auf der Facebookseite von SOS Mitmensch, in der sie über den langwierigen Prozess bei ihrer Einbürgerung berichtete. Trotz der Tatsache, dass sie in Österreich geboren und aufgewachsen ist, in Wien maturiert und studiert hat, und einer Lehrtätigkeit nachgeht, wurde von der MA 35 in Frage gestellt, ob die junge Frau denn überhaupt „integrierbar“ sei. Es häuften sich mehr und mehr Erfahrungsberichte, die ein erschreckendes Bild über die Bandbreite der Probleme zeichnen:

"Ich lernte den Sachbearbeiter für meine Einbürgerung erstmals am Telefon kennen, den werde ich niemals vergessen. Der sagte in einem ganz süffisanten Ton Dinge wie ‚Jeder, der was von mir möchte, glaubt, er sei Österreicher‘ und so weiter. Nach drei oder vier Jahren im Prozess hat es mir gereicht und ich wandte mich an einen Bürgeranwalt. Ich musste ja bei jedem Gang zur MA 35 auch einen nicht unwesentlichen Geldbetrag zahlen, die Wartezeiten waren eine Katastrophe. Als ich dann im Jahr 2014 endlich meine Staatsbürgerschaft abholen sollte, sah ich meinen Sachbearbeiter zum ersten Mal persönlich. Er war etwa Mitte Dreißig und mit einem Kollegen im selben Büro. Ein Mann, der nicht so gut Deutsch konnte, war gerade beim Kollegen und die beiden sprachen so fürchterlich mit ihm – es war richtig traumatisch. Ich war normalerweise nicht auf den Mund gefallen, aber ich konnte einfach nichts sagen. Als ich das Gebäude verließ, brach ich in Tränen aus, ich konnte nie vergessen wie schlimm die zwei auf den armen Mann eingeredet haben.“

Martina*, 37 Jahre alt, geboren und aufgewachsen in Wien, Eltern kommen aus Serbien
 

„Sie gratulierte mir kaltherzig in gebrochenem Deutsch.“

„Ich hätte die österreichische Staatsbürgerschaft mit 17 bekommen sollen, da meine Mutter sie damals bekam und unsere Dokumente gleichzeitig bei der MA35 eingereicht wurden. Doch ich war ‚nicht integriert genug‘. Meine Sachbearbeiterin – die übrigens ein „-ić“ im Namen hat – hatte es auf mich abgesehen. Sie hielt meinen Antrag so lange hin, bis ich 18 Jahre alt wurde und alle Dokumente mit Stempelmarken erneut einreichen durfte. Das war noch zu Zeiten des Schillings, ich musste einen vierstelligen Betrag für jede Marke zahlen. Dann hieß es, dass ich erst einmal meine Matura schaffen sollte, um meine Integrierbarkeit zu beweisen. Ich schloss mit ausgezeichnetem Erfolg die Schule ab. Dann hieß es: Ich sollte studieren, am besten nebenbei noch arbeiten, um meine Chancen zu erhöhen. Alle neuen Schritte musste ich mit Stempelmarke einreichen, auch den Uni-Erfolgsnachweis. Je wichtiger das Dokument, desto teurer war es. Nach fünf Jahren gratulierte mir die Sachbearbeiterin kaltherzig und widerwillig – in gebrochenem Deutsch – zur Staatsbürgerschaft. Das war vor rund 20 Jahren…“

Galina, 39 Jahre, lebt seit 1992 in Österreich, kommt ursprünglich aus Bulgarien

MA 35
Nicht integriert genug, trotz Schul- und Studienabschluss in Österreich? Viele Betroffene berichten von Schikane bei der MA 35.

 

„Ich bekam vier Monate kein Gehalt ausgezahlt.“

„Ich kam vor fünf Jahren nach Österreich zum Studieren. Gesetzlich darf ich als Student nicht mehr als 20 Stunden pro Woche arbeiten. Es vergehen Monate, bis mein Visum verlängert wird – selbst die Bestätigung dafür, dass ich den Antrag eingereicht habe, lässt oft lange auf sich warten. Ohne Bestätigung bekomme ich jedoch kein Gehalt von der Arbeit bezahlt. Es kam schon vor, dass ich vier Monate lang kein Gehalt ausgezahlt bekommen habe, weil die MA 35 so lange für die Bestätigung brauchte. Dieses Jahr musste ich einen Kontoauszug nachreichen, dass ich 12.000 Euro auf dem Konto hätte. Alle Drittstaatenangehörigen, die ich kenne, schieben sich gegenseitig solche Beträge von ihren Bankkonten hin- und her, damit sie die Kontoauszüge für ihr Visum anfertigen können. Ich kenne absolut keine Studenten, die einfach so viel Geld auf ihren Konten haben. Wir sind immer auf Hilfe von Freunden angewiesen.“

Maksim*, 29, ist mit einem Studentenvisum in Wien, kommt ursprünglich aus Russland

 

"Die MA 35 hat Probleme mit der Arbeitsweise."

Warteschlangen vor dem Amt, mangelnde Digitalisierung, abstruse Nachforderungen von Dokumenten und monatelange Bearbeitungszeiten für Visa und ähnliche Anträge hinterlassen einen fragwürdigen Eindruck über die Zustände beim Amt. Nachdem der zuständige Stadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) eine Aufstockung des Personals um 50 Mitarbeiter ankündigte und eine zusätzliche Stelle eröffnet wurde, lassen nun die Grünen die Behörde vom Stadtrechnungshof prüfen. Doch was bedeutet das genau? BIBER hakte beim Abgeordneten Nikolaus Kunrath nach.

Niki Kunrath
Niki Kunrath ist seit 2019 Gründer Gemeinderat und Landtagsabgeordneter in Wien. (C)Karo Pernegger

BIBER: Die MA 35 wird auf Antrag von den Grünen vom Stadtrechnungshof geprüft. Was bedeutet das?

Nikolaus Kunrath: Das bedeutet konkret, dass eine unabhängige Stelle der Stadt eine Behörde prüft. Das ist ein Kontrolling-Instrument, damit geschaut werden kann, wie effizient dort gearbeitet wird. Der Vorteil des Rechnungshofs liegt darin, dass er parteiunabhängig arbeitet. Die Prüfung dauert insgesamt zwei Jahre, dann wird ein Bericht veröffentlicht. Und anhand dieses Berichts kann man Änderungen durchsetzen.

Was muss sich bei der MA 35 strukturell ändern, um Prozesse zu vereinfachen und zu beschleunigen?

Ich unterstelle, dass die MA 35 per se Probleme mit der Arbeitsweise hat. Es müssen immer mehr Anträge bearbeitet werden, auch wegen der steigenden Zahl von Restitutionsverfahren. Trotz Aufstockung des Personals kommt man mit der Bearbeitung in der Behörde nicht mehr hinterher. Ich kenne keine andere Abteilung, in der Chefs werden so oft ausgetauscht werden, und Mitarbeiter eine derart kurze Verweildauer haben. Mir kommt es vor, als ob die MA 35 eine Art Strafabteilung wäre, in die man hineinversetzt wird. Tatsächlich werden aber auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ein falsches Licht gerückt. Es ist wie bei einem herkömmlichen Kundenservice – wenn sich Kunden ständig beschweren, wird das Personal immer unfreundlicher. Es müssen Änderungen auf vielen Ebenen stattfinden, damit sich die Situation nachhaltig verbessern kann.

Welche konkreten Erfahrungen von Betroffenen haben Sie besonders beschäftigt?

Es gibt zahlreiche Fälle, die nur Kopfschütteln hinterlassen. Ich kenne beispielsweise eine Frau, die schon seit zehn Jahren in Österreich lebt. Sie wollte ihr Visum verlängern – verlor aber ihren Job, weil die Bestätigung über den Antrag nicht schnell genug kam und sie offiziell keinen Aufenthaltsstatus mehr in Österreich hatte. Es gibt unzählige Beispiele von Menschen, die ihre Arbeit, Sozialleistungen oder Wohnungen aufgrund solcher langwierigen Prozesse verlieren.

MA 35
Ein Blick in die Google-Bewertungen der MA 35 reicht aus: Teilweise warten Menschen dort stundenlang, bis sie drankommen. (C)Robert Newald / picturedesk.com

Im Zuge meiner Recherche sprach ich mit Personen, die über teilweise rassistische und herablassende Kommentare von Sachbearbeitern der MA 35 klagen. Wie wird man dieses Problem bekämpfen?

Es bedarf einer enormen Änderung im Bereich der Supervision der Mitarbeiter.Die NEOS haben die MA 35 mit einer Security ausgestattet, damit die Mitarbeiter vor Kunden geschützt werden. Das ist aber ein völlig falsches Signal. Das Personal sollte besser geschult werden, nicht im rechtlichen, aber im kulturellen Bereich. Es muss besser sensibilisiert und besser unterstützt werden. Auch mangelnde Deutschkenntnisse müssen besser ausgeglichen werden. Die Problematik existiert auf vielen Ebenen.

 

*Name der Autorin bekannt

 

 

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