Last Punsch standing

20. November 2013

Diese kleinen Hütten stehen überall. Mit billiger Weihnachtsbeleuchtung und mittelmäßiger Musik. Egal wo ich hinkomme, lauter Weihnachts-Wahnsinnige, die Billigtassen aus China mit überteuertem Zuckerwasser durch die Gegend tragen.

 

Ich kann den Punsch schon auf hundert Metern riechen. Dieser penetrante Geruch nach verrottetem Obst und Hochprozentigem. Ich frage mich, ob das Zeug den Menschen wirklich schmeckt oder ich hier Zeugin eines Gruppenzwang-Flashmobs bin. Orangen-Ingwer-Punsch, Red-Bull-Punsch oder Heißer-Apfelstrudel- Punsch, die Palette ist riesig und teilweise unnötig. Wenn ich Lust auf Red Bull habe, dann trinke ich es aus der Dose. Wenn jemand unbedingt einen Apfelstrudel essen möchte, dann meldet euch bei mir, ich mach euch  gerne einen!  Wenn Leute anfangen kreativ zu werden, endet das immer böse. Kreationen wie Maroni-Punsch sprechen für sich. Was mit Maroni oder Red Bull angefangen hat, endet irgendwann mal mit Tabasco oder Kürbis.

Diese ganzen „höchst-kulinarischen“ Kreationen werden von ihren Erfindern immer schön geredet: „Die fruchtige Säure des Apfels harmoniert perfekt mit der wilden Hagebutte und der frischen Orange. Ein Hauch von Nelke und Zimt runden dieses exquisite Getränk für den Winter ab. Somit ist dieser Punsch nicht nur eine wahre Vitaminbombe, sondern wärmt auch von innen aufgrund des Rums.“ Sagt doch gleich, dass ihr alle Obstreste und ein paar Teebeutel in diesen Trog da hinein werft, billigen Fusel hinzufügt und das ganze überteuert den Weihnachts-Wahnsinnigen andreht.

 

Mozart auf dem Teppich

Wenn das so ist, dann mache ich eben auch meinen eigenen Punsch-Stand auf und biete meine eigenen, wilden Kreationen an: neben Hummus- und Couscous- Punsch, nehme ich vielleicht auch Döner-Punsch mit ins Sortiment. Weniger aufregend, aber nicht weniger exotisch, sind Granatapfel-Kümmel-Punsch, Dattel-Chili-Punsch und der blaue Zahntechniker-Punsch. Letzterer enthält auch einen Schuss Nächstenliebe.

Die Zutaten meiner Kreationen harmonieren wie bei keinem anderen besser miteinander, wärmen perfekt von innen und sind das Trendgetränk schlechthin für den Winter. Als Trend-Motiv auf der „Tasse 2013“ gibt’s Mozart auf einem fliegenden Teppich.

Kommentare

 

hahahaha ich wollte gerade einen blog über GENAU dasselbe schreiben, du hast es perfekt erfasst :D geil!

 

hahaha ach Nour, du bist so ein Ungustl :D Ich hab beim letzten Absatz in der Bim laut gelacht hahah

 

ungustl for life!! :D

 

Mir ist irgendwie die Lust vergangen, am Wochenende Glühwein zu machen...

 

kinderpunsch schmeckt schon gut. ich habe aber ein ganz anderes problem mit dem punschen: die hygiene. als ob die es bei hochbetrieb schaffen, diese ganzen gläser und häferl ordentlich zu waschen. im winter hat ja jeder zweite herpes und schwups könnte man die nächste sein. deshalb nehme ich mir immer einen strohhalm von zu hause mit. aber dann schauen die leute blöd und mir vergeht der spaß am punschen. :(

 

Ich war vor ein paar Wochen wieder mal in Kuşadası, da schütten sich die Menschen literweise ihren bis zum Exzess gezuckerten Billigtee zwischen die Lippen. Und das nicht nur zum 90-Jahres-Tag der Republik oder zum Bayram, sondern TÄGLICH und ohne Unterlass rund um die Uhr. Lasst uns doch unseren grauslichen Billigpunsch einmal pro Jahr. Lasst uns diese letzten Reste an Pseudotradition. Wir dürfen das wenigstens, ohne dass wir vom fliegenden A-Spaghettimonster ohne Gesicht verdammt werden. Nach so einem Artikel wundert es mich irgendwie schon nicht mehr, dass der erwähnte Techniker nicht Mozart, sondern Çay-Trinker auf einen fliegenden Teppich (z.B. nach Tunesien?) setzen will, denn nicht jeder ist so an anderen Kulturen interessiert wie ich. Wahnsinnig ist nicht der Konsument, sondern jemand, der daraus eine beinahe schon rassistische Kolumne konstruiert. Sauft Euer süßes Wasser und lasst uns unseren süßen Punsch, so unterschiedlich sind unsere Gelüste nämlich nicht.

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