Liebe muslimische Leser:innen, ist es ekelhaft, wenn Homsexuelle sich küssen?

15. Mai 2023

 

von Özben Önal

An unsere muslimischen Leser_innen habe ich zu Beginn meiner Kolumne eine Frage: Würdet ihr den folgenden Aussagen zustimmen?
„Es ist ekelhaft, wenn Homosexuelle sich küssen“, „Ich finde, Muslime sollten nur mit Muslimen befreundet sein“, „Mich stört der Anblick von behinderten Menschen“, „Wenn Frauen in der Öffentlichkeit Miniröcke oder freizügige Kleidung tragen signalisieren sie sexuelle Bereitschaft“. Ihr findet die Fragen suggestiv, beleidigend und stigmatisierend? Fragt ihr euch gerade, wie ihr dazu kommt, diese Fragen zu beantworten? Ihr fragt euch, was das bitte soll? Leider habe ich mir dieses Szenario nicht ausgedacht:

Vor ein paar Tagen wurden muslimische Schüler_innen in Wien aus dem Unterricht geholt um an einer Befragung für eine Studie  unter anderem diese Aussagen zu beurteilen. Die Studie wurde von der Uni Wien erstellt und durchgeführt. Das Ziel sei "anhand des mittels Fragebogen erhobenen Wissens und der erhobenen Einstellung die Effekte des islamischen Religionsunterrichts in Österreich zu eruieren, was als Grundlage zu dessen Weiterentwicklung dienen soll". Es geht hier also um Kinder der 9. Schulstufe, die mit allen gängigen, islamfeindlichen Vorurteilen und Klischees auf einmal konfrontiert werden – zu ihrem eigenen vermeintlichen Wohle, denn es geht ja um Bemühungen ihren Unterricht zu verbessern.

Während der Schutz von Kindern der deutschen und österreichischen Gesellschaft unter dem Deckmantel homo- und transfeindlicher, rechter Gesinnungen in jüngster Zeit doch so sehr am Herzen lag, als es darum ging wer ihnen aus Kinderbüchern vorliest, frage ich mich wo der Aufschrei bleibt, wenn tatsächlich Kinder gefährdet werden indem ihnen unterstellt wird patriarchalische, sexistische und rassistische Ideologien zu vertreten und sie in schulischen Einrichtungen Diskriminierung erfahren.

 Denn diese Kinder spürten ein deutliches Unbehagen und waren irritiert davon aus dem regulären Unterricht geholt zu werden nur weil sie muslimisch sind berichteten einige von ihnen der Muslimischen Jugend Österreich (MJÖ). Sie wurden mit Fragen beschossen, die darauf abzielten herauszufinden wer ihrer Meinung nach in die Hölle kommen sollte, ob Männer Schwächlinge sind, wenn sie keine Gewalt anwenden, ob Muslim_innen nur mit ihresgleichen befreundet sein sollten oder Frauen für unsittliches Verhalten bestraft werden sollten.

Ednan Aslan und die Islam-Landkarte

Das Projekt leitet der Professor für islamische Religionspädagogik, Ednan Aslan, der schon verantwortlich für die sogar vom Europarat kritisierte „Islam-Landkarte“ war, die durch eine Auflistung von allen möglichen muslimischen Einrichtungen, Vorstandsmitgliedern, privaten Adressen und Telefonnummern einer potenziellen Schnitzeljagd für rechtsextremistische Gewaltäter_innen gleichte.

Prinzipiell ist selbstverständlich gegen die Forschung zu Religionsunterricht nichts einzuwenden, diese muss aber unter ethischen und wissenschaftlich korrekten Standards entwickelt wie auch durchgeführt werden. Sie darf keinesfalls Instrument für die Durchsetzung der eigenen politischen Interessen oder Ideologien sein. Die ZARA (Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit), die muslimische Jugend Österreich und die Initiative Diskriminierungfreies Bildungswesen (IDB) fordern nun zurecht eine sofortige Einstellung der Studie. Sie weisen explizit darauf hin, dass schulische Einrichtungen verpflichtet sind ihre Schüler_innen vor Diskriminierung zu schützen, da nur so sichergestellt werden kann, dass sie unabhängig von ihrer Herkunft oder Religion gleichbehandelt und ihre Rechte und Würde respektiert werden. Sie bieten außerdem den betroffenen Schüler_innen und ihren Eltern nachfolgend Unterstützung an. Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) beteuerte bei einer Pressekonferenz, nichts mit der Studie zu tun zu haben – sie sei nicht vom Bildungsministerium in Auftrag gegeben worden.Die Bildungseinrichtung der islamischen Glaubensgemeinschaft Österreich hatte bereits vor der Umsetzung dieser Studie letztes Jahr im September auf die Problematik aufmerksam gemacht und die Bildungsdirektionen darauf hingewiesen, dass die Fragebögen ohne ihre Zustimmung erstellt wurden. Die Kritik an der Studie wird seitens der Universität Wien aktuell geprüft.

 

 

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