Ost-Special: Die falschen Augustins

08. Juni 2011

Längst ist es nicht mehr nur der alte Herr Josef, der Straßenzeitungen verkauft. Immer mehr Osteuropäer gehen in Cafés, vor Supermärkten oder in Parks auf Kundenfang – und können dabei ordentlich nerven



Äußere Mariahilferstraße, 15 Uhr. Alina (Name von der Redaktion geändert) wartet neben dem Billa-Eingang. Sie hofft darauf, dass ein paar Kunden das Pfand aus dem Einkaufswagerl in ihre schon faltige Hand legen. Alina ist 40 Jahre alt. Seit zwei Monaten lebt sie in Wien.


Eigentlich kommt Alina mit den dunklen Haaren und den stechend grünen Augen aus der ärmlichen Gegend rund um die süd-rumänische Stadt Pitesti. Mit ihren zwei Söhnen und ihrem Mann kam sie nach Österreich, um endlich Geld zu verdienen. Wie in ihrer Heimat bestreitet Alina auch hier ihren Unterhalt mit Betteln. Die Zeitungen „Global Player” und „MO – Magazin für Menschenrechte“ hat sie als Alibi dabei. „Betteln ist nicht verboten, aber die Menschen geben mehr, wenn sie sehen, dass ich was dafür tue“, erklärt sie und fügt hinzu: „Ich belästige die Leute nicht und tue nichts Verwerfliches.“

 


Etwas nerviger agieren ihre zwei Söhne, Nikolai und Marin. Auch sie tun an ihrem Standort in einem Innenstadtpark so, als ob sie Zeitungen verkaufen, verlangen aber ohne Umschweife zwei Euro. Der „Global Player“ ist bloß Tarnung. „Verkaufen tun wir die Zeitung nicht. Wir haben ja nur eine Ausgabe“, sagt Marin. Dass sie mit ihrer Art zu betteln viele der Menschen verschrecken, wissen sie. „Wer still ist und nicht immer wieder nachfragt, der verdient kein Geld“, erklärt Nikolai.


Anna kellnert im Museumsquartier. Sie kennt das Problem mit den vermeintlichen Straßenzeitungsverkäufern. „Manchmal umzingeln sie die Tische und reden zu zweit oder dritt auf unsere Gäste ein. Wir müssen dann eingreifen und sie bitten, das Lokal zu verlassen“, erzählt sie.

Dass die Zahl der Verkäufer gestiegen ist bemerkt sie auch. „Alle paar Minuten kommen sie vorbei und wollen nicht weg, solange man ihnen kein Geld gibt“, beschreibt sie die Situation, „meistens haben sie alte Augustin-Ausgaben dabei, die sie nicht hergeben wollen, auch wenn ein Kunde sie kaufen will“, fügt sie hinzu. Anna versucht dann meistens zu vermitteln, schließlich will sie nicht alle in einen Topf werfen: „Es gibt zwei Augustin-Verkäufer, die kenne ich schon seit Jahren, die machen das sehr gut und mit ihnen hatten wir noch nie ein Problem.“

 



„Wir sind nicht die Polizei“
Dass ihre Zeitungen als Tarnung fürs Betteln verwendet werden, ist den Leuten vom „Augustin“ bekannt. „Es gibt vermehrt Anrufe, die Leute wollen wissen ob das „echte“ Verkäufer sind“, erklärt Emir Mehmet, Sozialarbeiter beim „Augustin“, „und das ist auch das Problem: es gibt mittlerweile Verkäufer mit gefälschtem, kopiertem Ausweis oder mit gar keinem.“ Die registrierten Mitarbeiter hätten klare Spielregeln, an die sie sich halten müssen. Sonst drohen Sanktionen. Gegen den unregistrierten Verkauf können die Sozialarbeiter wenig ausrichten. „Außerdem sind wir nicht die Polizei. Es gibt zwar ein paar Kollegen die auf der Straße nach dem Rechten schauen, aber wir haben keine Kontrolleure“, erklärt er. Bei MO – der Straßenzeitung von SOS-Mitmensch, ist das Phänomen der getarnten Zeitungsverkäufer nicht bekannt. Angeblich habe es noch nie Probleme oder Beschwerden gegeben.



Überangebot
Neue reguläre Kolporteure kann Augustin derzeit nicht aufnehmen. Der Markt ist einfach gesättigt und immerhin sollen die angestammten Verkäufer ja auch noch etwas verdienen. „In Wien gibt es momentan genug Straßenzeitungverkäufer. Mehr geht einfach nicht mehr, sagt Emir. Wird ein Bewerber aus Platzgründen abgelehnt, kriegt er ein Post-It mit der Telefonnummer von einer Straßenzeitung wie „Global Player“ oder „MO“ – Magazin für Menschenrechte. Doch auch die Nachfrage nach diesen Straßenzeitungen wächst nicht in den Himmel.

 

 

 


100 Euro Strafe
Was ist erlaubt, was nicht? Wird unter Vorspiegelung falscher Tatsachen gebettelt, könnte dies eine Verwaltungsstrafe zur Folge haben, heißt es aus der Bundespolizeidirektion Wien. 100 Euro müssen die Bettler für ihre Übertretung dann zahlen.
„Wie soll ich mir die 100 Euro leisten können, ohne zu betteln“, fragt Alina, die erst gestern von der Polizei auf die Wache mitgenommen wurde. „Ich habe große Angst, weil ich nicht weiß, was mit mir passiert, wenn ich dieses Geld nicht bald zusammen habe.“ Alina weiß gar nicht, warum sie diese Strafe zahlen muss. „Niemand hat mir verboten, hier zu stehen“, erklärt sie, „auch der Billa-Filialleiter hat mich nicht vertrieben, warum lässt mich die Polizei nicht in Ruhe?“ Auch Nikolai und Marin verstehen die Aufregung nicht. „Wenn die Leute in unserer erbärmlichen Lage wären, würden sie es auch nicht anders machen.“


Biber meint:
Bettelverbote wie in Graz sind mit schaß. Nur sollte klar sein, ob jemand bettelt oder Straßenzeitungen verkauft. Bei den Straßenzeitungen wie dem Augustin hat sich eine Verkaufskultur entwickelt, die von Zurückhaltung und Höflichkeit geprägt ist. Nun tun sich die Leute aber schwer, zwischen echten und falschen, nervigen Augustins zu unterscheiden. Und das schadet dem guten Ruf der Straßenzeitungen insgesamt. Übrigens: Auch biber wird bereits gelegentlich für 2 Euro auf der Straße angeboten. Hier noch einmal zur Erinnerung:
Unser Magazin kost noch immer nix!

 

von Monika Bratić, Alexandra Stanić und Philipp Tomsich (Foto)

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Kommentare

 

letztens wollten mir 2 dieser verkäufer in der u-bahn ein magazin verkaufen. als ich "nein danke" sagte, wollten sie plötzlich 2 euro von mir haben. es hat aber sehr lange gedauert, bis ich sie los wurde.

guter artikel. endlich schreibt jemand darüber ; )

 
 

Hatte leider bis jetzt nur eher schlechte Erfahrungen mit MO-Verkäufern.

Nachdem ich einem Verkäufer eine Zeitung abkaufen wollte und ihm bereits das Geld gegeben und die Zeitung in der Hand hatte, wollte er diese wieder zurück und das Geld behalten. Danach meinte er, dass ich sie um 5 Euro bekommen würde.

Tragisch ist, wie erwähnt, dass dies auch eine negatives Bild auf richtige Zeitungsverkäufer (Augustin, Eibischzuckerl) werfen kann, deren Auftreten immer professionell war und ist.

Somit haben die Bettelverbote auch einen direkten negativen Einfluss auf Menschen die nicht betteln.

 

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