#PRAYATHOME
Von Muhamed Beganović, Fotos: Zoe Opratko
Vor der Krise war ich jeden Tag in der Moschee“, erzählt Tarik Deniz*, ein junger Medizinstudent aus Innsbruck. Mit Freunden betete er die Morgen- und Nachtgebete in einem der Gotteshäuser in der Stadt. „Die Moschee war somit auch ein Ort der Verbundenheit und Gemeinschaft“, erklärt er. Doch dann kam das Corona-Virus. Die Pandemie breitete sich rasend schnell aus, ähnlich wie der Schatten nach dem Sonnenuntergang, weshalb teils drastische Maßnahmen notwendig waren, um sie einzudämmen. Dazu zählte auch die komplette Schließung der Moscheen, die von März bis Mitte Mai andauerte. Das zwang Muslime, ihre gewohnten Routinen von heute auf morgen aufzugeben. Für Deniz bedeutete es, dass es keine täglichen Treffen mehr geben konnte. „Die habe ich gebraucht, um in diesen Zeiten des ständigen Wandels eine innere Stabilität zu etablieren“, sagt Deniz, der den Gebetsstätten nachtrauert. Ähnliche Klagen hört man von praktizierenden Musliminnen und Muslimen, die besonders im islamischen Monat Ramadan, der heuer umgerechnet am 24. April begann und am 23. Mai endete, hart von den Schließungen getroffen wurden. Denn der Besuch der Moschee ist mehr als eine physische Tätigkeit. Er geht mit einer seelischen Komponente einher. „Dort finde ich mich selbst und vergesse alles andere, alle Ablenkungen, alle Probleme und Herausforderungen des Alltags“, sagt Nermin Ismail, eine 23-jährige Journalistin aus Wien. „Keine Moschee besuchen zu können ist für mich eine noch nie dagewesene Realität, die mich beunruhigt“, fügt sie hinzu. Den Muslimen, mit denen biber gesprochen hat, ist jedoch zugleich auch klar, welch eine wichtige Rolle die Schließungen für das Allgemeinwohl haben. „Anfangs war ich etwas genervt, aber dann habe ich verstanden, dass das die beste Entscheidung ist, um die Gesundheit von allen zu schützen. Daher stört es mich auch gar nicht mehr”, sagt Gehad Samy, eine 22-jährige Psychologie-Studentin aus Wien, die vor Corona mehrmals in der Woche Moscheen aufgesucht hat. Doch Not macht bekanntlich erfinderisch und so haben jüngere Muslime wie Samy und Deniz entdeckt, dass sie ihre Spiritualität auch digital ausleben können. „Um den Kontakt zu meinen Freunden aufrechtzuerhalten, haben wir beschlossen, tägliche Onlinetreffen abzuhalten, in denen wir uns islamisches Wissen aneignen. Das ist unser Versuch, das Beste aus dieser Situation zu machen”, erzählt Deniz.
Doch nicht nur Gläubige, sondern auch die Gemeinden sind gezwungen, ihre Herangehensweisen zu überdenken. Das hat zu teilweise kreativen Lösungen geführt. In einem Video, das die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) Mitte April auf Youtube veröffentlichte, fordert Präsident Ümit Vural die Muslime auf, ihre Wohnungen zu Moscheen umzugestalten. Er will damit jenen Mut machen, die sich nach den Gebetshäusern sehnen, und ihnen das social distancing ein wenig erleichtern. Zugleich hat die IGGiÖ begonnen, OnlineInhalte wie Webinare anzubieten. Auch einige Moscheen nutzen soziale Medien, um mit ihren Mitgliedern in Kontakt zu bleiben. Zu den Pionieren gehört das Islamische Zentrum Wien (IZW). Bereits am Anfang der Krise hat das Zentrum begonnen, jene Einheiten wie ArabischSprachkurse, Koran-Unterricht oder Wochenendprogramme für Kinder, die normalerweise in den Räumlichkeiten der Moschee angeboten wurden, über die VideokonferenzPlattform Zoom abzuhalten. „Das hat in der Gemeinde großen Anklang gefunden. Es macht sich bemerkbar, dass es der jüngeren Generation viel leichter fällt, diese OnlineAngebote zu nutzen, als vielen der älteren Generation, die mit dieser Art der Mediennutzung weniger vertraut sind“, berichtet Salim Mujkanović, einer der drei Imame des IZW. Zudem bot das Zentrum Livestreams auf Facebook von den nächtlichen Gebeten im Ramadan an. Hier sah man allerdings nur den Imam, da sonst keine Besucher zugelassen waren. Die Bosniakische Kultusgemeinde Mitte, die knapp ein Dutzend Moscheen umfasst, nutzt Facebook Watch-Partys, um mit ihren Mitgliedern zu interagieren. Das Angebot würde gut genutzt, heißt es dazu. Auch Indira Polimac-Hasanović berichtet nur positiv über solche virtuellen Zusammenkünfte. Sie ist Teil einer Frauengruppe, bestehend aus Mitgliedern verschiedener oberösterreichischer Moscheen, die mehrmals in der Woche Vorträge über Zoom veranstaltet. „Etwa 50 Frauen im Alter zwischen 25 und 60 nehmen jedes Mal teil“, sagt Polimac-Hasanović.
Bereich: