Als es geschah war sie verheiratet. Sie war Mutter eines dreijährigen Sohnes. Sie war außerdem mit einem weiteren Kind schwanger. Sie war eine ambitionierte Pharmazeutin. Aber vor allem war sie eine Frau, auf die in einem deutschen Gerichtssaal achtzehn Mal zugestochen wurde, bis sie starb.

Heute vor vier Jahren erlitt eine ägyptische Familie in Dresden eine Tragödie, die leider nicht auf einer Kinoleinwand statt gefunden hat. Marwa El-Sherbini wurde in einem deutschen Gerichtssaal vor ihrem Ehemann und ihrem Sohn ermordet- aus Fremdenfeindlichkeit! Islamophobie! Und vor allem einer großen Lücke im „Sicherheitsdienst“!

Wie viel Hass muss ein Mensch in sich tragen, um jemanden so kaltblütig zu ermorden? Auch als ihr Ehemann versuchte ihr zu helfen, wurde er stark verletzt. Ich will mir gar nicht ausmalen, wie es ihrem Sohn gehen mag. Woran er sich erinnern kann...was für ein Mann eines Tages aus ihm wird. Es ist schon schlimm genug, dass eine Mutter stirbt, noch schlimmer ist es, wenn man es miterlebt, aber ich möchte mir nicht vorstellen, wie es wäre, wenn die Mutter vor den eigenen Augen, in einem der „sichersten“ Ländern Europas vor dem „Gericht“ ermordet wird.

Warum hat er sie umgebracht? Weil sie Muslima war, und ein Kopftuch trug. Und obwohl er lebenslänglich hinter Gittern bleibt, bin ich wütend! Ich kannte Marwa nicht persönlich, aber ich bin ägyptische Muslima, und das verbindet uns. Ich habe das Gefühl, sie gekannt zu haben. Ich habe das Gefühl, das könnte mir passieren, und jeder anderen Frau. Es macht mir Angst, aber vor allem macht es mich wütend. Denn, dass sie eine Frau war, verbindet sie mit allen Frauen da draußen! Wie sicher sind wir wirklich?

Ich will meine Zeilen nicht an ihrem Killer verschwenden, aber ich will jedes Wort ihr widmen. Also wage ich es mit einem Brief, und hoffe, dass sie ihn auf einer himmlischen Weise bekommt.

Liebe Marwa,

Wir kennen uns nicht, jedenfalls nicht persönlich. Eigentlich habe ich erst nach deiner Lebenszeit Bekanntschaft mit dir gemacht. Die Art wie du uns verlassen hast, sorgte für gehörigen Wirbel. Aber du hast uns allen Mut gemacht. Du bist nicht grundlos gestorben, das solltest du wissen. Ich hoffe, dass es nicht sehr weh getan hat als du gegangen bist. Manchmal lese ich von berühmten Musliminnen und denke dann an dich! Ich will dir dann zeigen, was wir alles schaffen und auf die Beine stellen, und dann fällt mir ein, dass du es wahrschenlich schon längst weißt. Ich weiß du vermisst deine kleine Familie sicher sehr. Sie vermissen dich auch. Du bist weg und hast eine große Lücke in vielen Herzen hinterlassen. Ich hoffe, dass es dir gut geht, wo du auch immer bist. Dein kleiner Mann ist jetzt stolze sieben Jahre alt. Aber das weißt du ja. Immerhin lässt du ihn ja nie aus den Augen. Ich muss aber gestehen, dass ich diesen Brief mit einem Hintergedanden an dich schicke: Bist du bitte so lieb und betest für unser Land Ägypten? Auf dass es immer in Sicherheit ist und es unseren Leuten dort und überall auf der Welt besser geht? Ich denke, dass du, dort wo du bist, einfach erhörtere Gebete hast. Ist doch bei Engel so, nicht wahr?

Deine Schwester,

Menerva