Schülermeinung von Anna: Zwischen Kondomen und Konservatismus

28. Mai 2020
Schülermeinung
 
Manchmal gibt mein Suchverlauf Anlass zur Annahme, ich hätte den gesamten Sexualkundeunterricht geschwänzt. Und das, obwohl ich mich daran erinnere, mit 13 im Biologieunterricht offiziell aufgeklärt worden zu sein, wenn auch mit hochrotem Kopf. Meine Freundin Thery, die damals neben mir gesessen ist, hat kürzlich Folgendes gesagt: „Ich hab‘ das Gefühl, alles, was ich über Sexualität weiß, weiß ich aus eigener Erfahrung, oder weil ich recherchiert habe.“ Leider muss ich ihr da zustimmen. Zum Beispiel wüsste ich nicht, dass mir gegenüber je eine erwachsene Person das Wort Lust im Zusammenhang mit Sex erwähnt hätte. Vor allem Mädchen, die sich „da unten“ noch nie angefasst haben, werden frustriert sein, wenn sie anfänglich erleben, wie ihre Sexualpartner im Gegensatz zu ihnen sehr bald einen Orgasmus erleben. Ja, es gibt nicht nur den Pay, sondern auch den Orgasm Gap. Aber über die Möglichkeit der Selbstbefriedigung (oder Vibratoren) hat niemand mit ihnen geredet, genauso wenig wie über Vaginismus oder das fragwürdige Konzept der Jungfräulichkeit. Dem gängigen Konzept (Penis in Vagina) zufolge bleiben Lesben nämlich ihr Leben lang Jungfrauen.
 
HETERNORMATIVES SPEKTRUM, UND WEITER?
Und da wären wir beim nächsten großen Versäumnis: Die Existenz von Homosexualität und anderen sexuellen Facetten, von Lehrpersonen auch liebevoll „Abnormalitäten“ genannt. So haben es Gender-Identität und Asexualität (zumindest zum damaligen Zeitpunkt) ebenfalls nicht in den Lehrplan geschafft. Wir Schüler*innen haben also von einem breiten Spektrum einzig das Heteronormative vermittelt bekommen – die queere Community lässt grüßen. Falls ich also demnächst etwas über Fetische lernen möchte, kann ich mich entscheiden, ob ich lieber meine diesbezüglich konservativen Eltern oder doch meine Mitschrift von einem noch konservativeren Unterricht befrage. Obwohl, wenn ich Realitätsferne suchen würde, könnte ich mir genauso gut einen Porno reinziehen.
 
Anna Egger ist 18 Jahre alt und geht in die Maturaklasse eines Wiener Gymnasiums

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