Warum der Fußball am Balkan nach rechts rollt

18. Juni 2015

Vergangenes Wochenende zeigte sich der Fußball am Balkan von seiner ganz rechten Seite. Bei dem Qualifikationsspiel Italien gegen Kroatien konnten die Fernsehzuschauer beobachten wie sich ein Hakenkreuz auf dem Rasen im Poljud-Stadion in Split abzeichnete. Unbekannte haben dies davor mit Chemikalien in den Rasen präpariert. Im Stadion selbst waren keine Zuschauer. Das Match fand vor leeren Rängen statt, weil kroatische Fans bereits beim 5.1 gegen Norwegen im März rechtsextreme Parolen grölten. Die Uefa leitete ein Disziplinarverfahren gegen den kroatischen Verband ein.

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In Zenica, 200 Kilometer nordöstlich von Split kam es zu einem weiteren Eklat. Vor dem Spiel gegen Israel trampelten die bosnischen "Fanaticos" auf einer Israelfahne herum und skandierten: "Palästina, Palästina". Ein Bild des antisemitischen Treibens schaffte es bei Facebook auf über 11.000 Likes und wurde mit: "Hitler sollte zurückkommen und sich ihrer annehmen" oder "die Juden sind eine dreckige Rasse" kommentiert. Eine Gruppe von Bosnienfans pöbelte vor dem Hotel, in dem die israelische Mannschaft untergebracht war und warf Rauchgranaten. Im Stadion wurde die israelische Mannschaft mit einem lauten "Palästina, Palästina" begrüßt.

Drohne in Belgrad

Auch Serben und Albaner lassen es sich nicht nehmen, ihre Konflikte ins Stadion zu tragen. Im Oktober vergangenen Jahres schrien die Zuschauer im Belgrader Stadion kollektiv: "Tötet die Albaner", bis plötzlich eine Drohne vom Himmel geflogen kam, an welcher eine Flagge Großalbaniens befestigt war. Stefan Mitrović zupfte sie herunter, woraufhin er von albanischen Spielern attackiert wurde. Serbische Fans stürmten auf das Spielfeld und attackierten Spieler der gegnerischen Mannschaft, die wiederum mussten sich in die Umkleideräume retten. Die Drohne wurde angeblich von Olsi Rama, dem Bruder des albanischen Premiers Edi Rama, aus der VIP-Lounge auf das Spielfeld gelenkt.

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Trotz solcher Szenen geht der Politologe Dario Brentin gerne ins Stadion. Zudem promoviert er über Sport und nationale Identitäten im post-sozialistischen Kroatien. Trotz vieler Parallelen sieht er Unterschiede zwischen den Problemen in Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Serbien.
 
"Ich empfinde die neue Welle des Antisemitismus in Bosnien als eine Reaktion auf den verstärkt polemisierten Diskurs in der Palästina-Israel Frage im Land, der als Projektionsfläche genutzt wird. Ich glaube kaum, dass sich diese Leute konkreter mit dem Konflikt auseinander gesetzt haben". Vor dem Freundschaftsspiel Bosnien-Herzegowina gegen Österreich im vergangenen März, versammelten sich Anhänger der bosnischen Mannschaft auf dem Wiener Stephansplatz. Dort fand eine Pro-Palästina Kundgebung statt, der sich einige bosnische Fans anschlossen und begannen zu schreien:" Tötet die Juden".
 
Warum kein Ustascha-Kreuz?
In Kroatien sieht Dario Brentin das Problem stärker bei der Relativierung des faschistischen NDH-Staates: "Zu solchen Szenen kommt es auch, weil die Erinnerung an kroatische Verbrechen verweigert wird". Er vermutet, dennoch, dass es sich bei dem Hakenkreuz um einen taktischen Schachzug handeln könnte, um dem kroatischen Verband zu schaden: "kroatische Rechtsextreme hätten eher ein Ustascha-Kreuz gewählt. Ich glaube das waren Leute die dem kroatischen Verband schaden wollten. Sicher wissen wir das aber nicht".
 
Zlatko Nikolić engagiert sich bei der Ultragruppe „Bijele Anđele“ (weiße Engel), die den Verein NK Zagreb anfeuern, der sich gegen Rassismus und Homophobie einsetzt: "Wir sind wir in eine kleine Minderheit“ betont er „alle anderen Gruppierungen sind offen nationalistisch“. Laut Nikolić hat das mit der Herausbildung der Szene zu tun: "Die Ultraszene bei uns hat sich Ende der 80er Jahre als Instrument für zwischenethnischen Hass im ehemaligen Jugoslawien gebildet." Das Hakenkreuz bei dem Spiel gegen Kroatien überrascht ihn wenig: "In der kroatischen Politik wird mit Nationalismus kokettiert und dass das von sogenannten Hooligans aufgegriffen wird, sollte niemanden wundern." Sich gegen die Rechtsextremen in den Stadien zu stellen ist zudem gefährlich. Die „Bijele Anđele“ werden regelmäßig von Rechtsextremen angegriffen.
 
Nicht "nur" ein Gruß
In Kroatien feiern nicht nur die Fans die Ustascha-Faschisten, sondern auch manche Spieler. Nach einem 2.0 Sieg gegen Island qualifizierte sich die kroatische Mannschaft am 19. November 2013 für die WM in Brasilien. Verteidiger Josip Šimunić feierte das auf seine ganz eigene Art. Er packte sich ein Mikrofon und schrie laut "Za dom", von den Rängen antwortete es "Spremni". Der Gruß "Za dom spremni" (Für die Heimat bereit) war der Gruß der kroatischen Ustascha-Faschisten.
 
Sogar die Jugoslawienkriege sollen am 13. Mai 1990 im Zagreber Maksimir-Stadion begonnen haben. Ein Erstligaspiel zwischen Dinamo Zagreb und Roter Stern Belgrad wurde bereits vor dem Anpfiff zu einer Massenschlägerei, die durch nationalistische Hooligans beider Seiten ausgelöst wurde, die aufeinander losgingen. Zvonimir Boban beteiligte sich an diesen Ausschreitungen, indem er einen Polizisten trat. Dieser Tritt wurde in Kroatien zu einem nationalen Symbol für die Auflehnung gegen den jugoslawischen Vielvölkerstaat im Allgemeinen und Belgrad im besonderen. Kurze Zeit nach diesem berüchtigten Spiel dürften sich sowohl die Dinamo-Ultras, die Bad Blue Boys, als auch die Belgrader Ultras auf dem Schlachtfeld wiedergesehen haben. Erstere meldeten sich als Freiwillige, um gegen die serbische Armee zu kämpfen, letztere sammelten sich um den Kriegsverbrecher Željko Ražnatović, manchen besser bekannt unter seinem Pseudonym "Arkan".
 
Roter Stern vs. Partizan
Dario Brentin glaubt nicht, dass der Krieg im Maksimir Stadion begann: "Das ist ein moderner politischer Mythos der sich in Kroatien größerer Beliebtheit erfreut als in Serbien". Die Probleme in Serbien sieht Brentin im Alltagsrassismus und in der physischen Gewalt, die noch extremer ist als in den Nachbarländern: "Wenn zum Beispiel Roter Stern gegen Partizan spielt, dann geht da kaum noch ein normaler Mensch hin. Jeder weiß das es zu Gewalteskalationen kommen wird.
 
Letztlich ist es nicht nur der Fußball, der am Balkan besonders rechtsextrem ist. Sport ist ein Teil der Gesellschaft und spiegelt diese wieder. Die Nachfolgestaaten Jugoslawiens haben ein Problem mit übersteigertem Nationalismus und im Stadion zeigt sich das klarer als im Alltag. Der Fußball selbst ist daran nicht schuld.

 

Krsto Lazarević arbeitet als freier Journalist für verschiedene Medien in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Bosnien-Herzegowina.

http://balkanist.net/does-bosnian-football-have-an-anti-semitism-problem/​

 

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