Absichtlich Alleinerzieherin

17. Februar 2016

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Absichtlich Alleinerzieherin
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In Dänemark brauchen Frauen keine Männer, sondern bloß Samenspender, um eine Familie zu gründen. „Solomores“ - sie wollen ein Kind, auch wenn sie keinen Partner haben. In Österreich ist dies derzeit noch nicht möglich, aber es könnte in Zukunft zu einem Thema werden. Wir haben uns mit dieser Frage beschäftigt und ein paar Meinungen gesammelt.

Der Wunsch war längst da

Als Kind verbrachte ich viel Zeit bei meinen Großeltern in Moldawien. Dort hatte ich Freunde, Natur und Omas leckeres Essen. Die Siedlung, von der ich spreche, Ciorescu, ist keine Stadt, aber auch kein Dorf - eher etwas dazwischen. Warum ich euch das erzähle? Dort habe ich das erste Mal etwas gehört, was mich damals schockierte und gleichzeitig faszinierte. Als ich zwölf Jahre alt war, habe ich ein Mädchen kennengelernt. Sie war älter als ich, sie war 18 Jahre alt und wir plauderten über alles Mögliche, und irgendwann sagte sie: „Ich will keinen Mann. Ich brauche einen, nur damit ich ein Kind von ihm bekomme. Nachher will ich alleine mit dem Kind leben“, und das sagte ein Mädchen, das in einem abgeschiedenen Dorf  aufwuchs. Ich weiß nicht mehr genau, woran ich damals dachte, außer an die Tatsache, dass diese Frau eine Amazone sein muss.

Alleinerziehende Mütter waren damals natürlich keine Neuigkeit. Neu war jedoch das Bedürfnis, sein Kind alleine großziehen zu wollen. Heute ist der Wunsch meiner damaligen Bekanntschaft Realität geworden - zumindest in Dänemark. Dort sind, seit dem Jahr 2007, Fruchtbarkeitbehandlungen für ledige Frauen kostenlos. „Solomores“ (Dänisch: solo=alleine; mor=mutter), so werden in Dänemark alleinerziehende Mütter genannt, die bewusst die Entscheidung treffen, ein Kind zu bekommen, ohne von einem Mann abhängig zu sein. Im Gegensatz zu Österreich ist es in Dänemark erlaubt, einen Antrag auf künstliche Befruchtung zu stellen, ohne einen Partner zu haben. Der Staat versucht, seinen Geburtenrückgang damit zu kompensieren. Eines von zehn Babys in Dänemark, die mit Samenspenden konzipiert wurden, wird von einer Frau ohne Partner auf diese Welt gebracht. Das wirkt sich positiv auf die Geburtenrate aus und wird deshalb unterstützt. Neunzig Prozent der in den dänischen Fruchtbarkeitskliniken befragten Frauen wollten eigentlich ein Kind mit einem Mann haben, zwei Drittel davon waren sogar in einer Beziehung, aber ihre Partner waren nicht bereit, Kinder zu bekommen. Das Problem ist, dass die biologische Uhr tickt, und die Frauen wissen es. Wenn eine Frau Kinder will, aber keinen Partner dafür findet, gibt´s einen Plan B - „solomore“ zu werden – zumindest in Dänemark. „Mit einem Freund ein Baby zu haben fand ich nicht so gut – da könnten sich die Dinge verkomplizieren. Ein One-Night-Stand kam auch nicht in Frage, weil es sich wie Sperma-Diebstahl anfühlen würde“, meinte eine der Teilnehmenden an einer Studie, welche von dem Kopenhagener Universitätsspital durchgeführt wurde, bei welcher Frauen befragt wurden, die eine der neun Fruchtbarkeitskliniken in Dänemark besuchten.

Die Kinder entwickeln sich ganz normal

Ergänzend wurden Studien durchgeführt, um zu sehen, wie sich die Kinder der „solomores“ entwickeln. Professor Susan Golombock vom Zentrum für Familienforschung an der Universität Cambridge erklärt, dass „Kinder dieser Frauen ganz normale Kinder werden, weil die Qualität der Elternschaft und die finanzielle und soziale Unterstützung wichtiger ist, als die Zahl der Familienmitglieder." Darüber hinaus gibt es in der Regel ein großes Maß an Unterstützung aus dem sozialen Umfeld der Mutter. Wer am meisten ein Problem damit hat, sind Männer, die denken, dass Töchter die Rolle des Vaters in der Familie unterschätzen, meinten befragte alleinerziehende Mütter.

Ich habe ein bisschen über das Thema nachgedacht. Die Demographen der westlichen Länder würden wahrscheinlich Dänemark und den „solomores“ Recht geben. Wir verschieben es, Kinder in die Welt zu  setzen, so lange wie möglich – bis es, biologisch gesehen, fast unmöglich ist, welche zu bekommen. Vielleicht wäre es wichtiger, ein Kind zu bekommen – gesund und ohne Risiken – anstatt während der Suche nach dem passenden Mann die Chance dazu zu verlieren? Wie verrückt klingt das eigentlich? Was würden die anderen davon halten? Wie gut ist es eigentlich für das Kind? Und vor allem, alleine ein Kind zu erziehen ist eine riesige Herausforderung. Ich fragte herum, um herauszufinden, was die Menschen außerhalb von Dänemark über das Thema „solomores“ und künstliche Befruchtung für ledige Frauen denken. Die Antworten waren nicht nur unterschiedlich, sondern auch überraschend.

Frauen zeigen sich unterstützender als Männer

Erst mal fragte ich meine Mitbewohnerin – 24 Jahre alt und Studentin – was sie davon hält. Sie meinte, sie findet das Ganze ein bisschen traurig. Ein Kind ohne zwei Menschen, die sich lieben (oder sich zumindest kennen) zur Welt zu bringen, klingt wirklich ein bisschen traurig, dachte ich. Zu meiner Überraschung aber meinte sie etwas anderes: „Ich denke, es ist traurig, weil die Männer diese Möglichkeit nicht haben.“ Wow! Daran habe ich gar nicht gedacht, aber sie hat Recht. Nur Frauen haben diese Möglichkeit - aus biologischen Gründen.

Deswegen fragte ich ein paar Männer, um zu checken, ob sie eigentlich auch so einen Wunsch haben. Wieder waren die Antworten überraschend. Ein Freund aus Italien meinte: „Das wäre ein völlig falscher Weg. Ein Kind ist nicht etwas, was man erwerben kann. Man braucht zwei Menschen dafür. Das ist die wichtigste Voraussetzung. Wenn man keinen Partner finden kann, liegt es vielleicht an der Person selbst und vielleicht muss man erstmal etwas an sich verändern“. Also liegt es an der Frau. Sie findet keinen Partner, der mit ihr ein Kind haben möchte. Aber manchmal hat man einfach Pech und findet keinen. Es ist einfach so. Und sie will nicht warten.

Weiters hörte ich von einem anderen Freund: „Der Staat soll sich in solche Dinge nicht einmischen! Es sollte keine Gesetze dafür geben. Nicht der Staat, sondern nur Zentren für Mütter und Kinder können diesen Frauen Beratung anbieten und ihnen helfen, die richtige Entscheidung zu treffen. Jeder Fall sollte individuell betrachtet, anstatt durch Gesetzte reguliert werden“. Eine sehr interessante Perspektive, aber wären dann Mutter-Kind-Zentren nicht überfördert?

Ein tolerantes Umfeld ist wichtig

Die Suche nach Meinungen ging weiter. Ich entschied mich, eine Person zu fragen, die selber Kinder hat – meine Mutter. Mama antwortete, dass sie damit einverstanden ist. „Es ist hauptsächlich die Entscheidung der Frau. Solange sie denkt, dass sie fähig ist, dieses Kind zu erziehen und sich das auch wünscht. Wahrscheinlich wird dem Kind eine Familie fehlen. Es kann auch sein, dass das Kind nicht so kontaktfreudig sein wird, vielleicht sogar ein bisschen frustriert. Das Wichtigste dabei ist, in welcher Umgebung sich das Kind entwickelt, wie intelligent und offen die Menschen sind, die es umgeben und wie tolerant die Gesellschaft gegenüber solcher Verfahren ist. In Italien zum Beispiel könnte ich mir das nicht vorstellen, da die dort ziemlich traditionell sind und sowas nicht erlauben würden, denke ich." Also, es sollte diese Möglichkeit geben, obwohl ein Risiko besteht, dass das Kind einen Mangel in seinem Leben spüren wird. Aber haben die Studien nicht gezeigt, dass die Kinder sich normal entwickeln, solange sie gute Beziehungen zu Hause haben? Aber Dänemark ist anscheinend anders. „Dänemark ist eine mutterrechtliche Gesellschaft und Frauen haben eine besondere Stellung  in der Familie. Sie sind diejenigen, die das letzte Wort haben und die Männer finden das ganz in Ordnung. Das passiert, weil das Gesellschaftssystem sehr fair zu beiden Geschlechtern ist. Ich finde es ok, „solomore“ zu werden, wenn die Frauen sich das wünschen und das brauchen. Darüber hinaus werden sie finanziell und sozial vom Staat unterstützt. Das hilft ihnen sehr“, sagte mir meine Schwester, die in Dänemark ihr Studium abschloss.

Österreich hat auch ein gutes Sozialsystem, also wäre das vielleicht in Zukunft auch hier möglich? Oder sogar notwendig? Was wir vergessen haben, sind die Fragen, die das Kind der Mutter stellen wird. „Was wird sie ihr oder ihm dann alles erzählen? Dass es eine Zeit gab, wo ich keinen Mann finden konnte, also ging ich zu einer Sperma-Bank und entschied, dich zu zeugen?“, meinte ein Kollege aus der Redaktion. Das wird bestimmt kompliziert sein, aber es passiert und die Kinder akzeptieren diese Tatsache, wie dänische „solomores“ meinen.

Ein Thema für die Zukunft

Das Problem ist bestimmt vielfältig und es löst unterschiedliche Reaktionen aus. Hauptsächlich sind es aber eher Frauen, die die „solomores“ besser verstehen, während Männer das Problem eher kritischer betrachten. Meiner Meinung nach wird es in der Zukunft immer mehr Debatten darüber geben, weil wir in einer Gesellschaft leben, in der die Frau immer selbstständiger wird und wo wir unseren primären Zweck – unsere Spezies fortzupflanzen - eher in den Hintergrund stellen, hinter die Karriere, die Heirat und erst nachdem wir alle unsere vorgenommenen Ziele erreicht haben. Es ist schwer zu akzeptieren, dass unsere Gesellschaft sich in diese Richtung entwickelt, aber die Realität kann man nicht verändern. Die Entscheidung dieser Frauen - und gleichzeitig der Druck westlicher Gesellschaften, die finanzielle Sicherheit der Gründung einer Familie voran zu stellen – läuft in Gegenrichtung zur Natur. Deswegen werden wir in Zukunft mit Problemen wie dem Geburtenrückgang kämpfen und neue Lösungen dafür finden müssen, vor allem in den westlichen Ländern. Genau hier haben Frauen die schwierige Aufgabe, selbstständige und gleichzeitig liebevolle Mütter zu sein. In der Zwischenzeit noch den perfekten Partner zu finden, erschwert die Sache noch mehr. Vielleicht sollte sich der Staat bei der Entscheidungsfindung nicht einmischen, aber sobald die Entscheidung getroffen wurde, sich in jedem Falle unterstützend zeigen.

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