Bitte, her mit der Corona-Diktatur.

24. März 2021

Die Intensivstationen in Wien sind ausgelastet. Bundeskanzler Kurz spricht gleichzeitig von einer “Rückkehr zur Normalität” bis zum Sommer. Es ist einfach nur mehr mühsam. Ja, wir haben es alle schon satt. Und das seit Monaten. Das ständige auf und ab, hin und zurück. Zahlen rauf, Zahlen runter. Lockerungen, Verschärfungen, neue Lockerungen. Keiner kennt sich mehr aus, keiner kommt mehr mit. Aber jeder weiß es am besten. Vor allem aber eine ganz bestimmte Gruppe.

Ich habe schon Anfang Jänner darüber geschrieben, dass Coronaleugner und -verweigerer  einfach ihre Fresse halten sollen. Ja, genau in dieser Tonalität. Für die Wortwahl hagelte es die erwartete Kritik: Ich würde “Andersdenkenden” das “Recht auf freie Meinungsäußerung” absprechen, wir würden doch in einer Demokratie leben. Man könne die Menschen doch nicht zwingen, sich impfen zu lassen oder Maske zu tragen. Damals argumentierte ich noch zaghafter damit, dass wir ja eben in einer Demokratie, und nicht in einer Diktatur leben würden, und jeder die freie Wahl hätte.

Aber ich habe null Verständnis mehr. Es möge daran liegen, dass ich mittlerweile ein enges Familienmitglied an Corona verloren habe, und das wünsche ich niemandem. Auch nicht jenen, die es immer noch nicht verstanden haben. Wir lassen die offensichtlichen Verschwörungstheoretiker und “Plandemie!11”-Skandierenden hier bitte mal aus, für die habe ich wirklich keine Kraft mehr. 

 

Wacht endlich auf-und haltet endlich die Fresse

Wir leben in einer Pandemie, nicht in einer Diktatur

 

Ich hab es schonmal gesagt und ich sag es gerne nochmal: Liebe “Andersdenkende”, liebe “Freidenker”, liebe Impfgegner, wie auch immer ihr euch nennen wollt, ihr seid Faktenverweigerer. Und ja, ich will euch eure “Meinung” am liebsten absprechen. Weil ihr verdammt gefährlich für die Gesellschaft seid. Eure mittlerweile gefühlt jede Woche stattfindenden Demos, bei denen ihr ohne Masken durch die Städte Österreichs Hand in Hand mit Rechtsextremen und Holocaust-Leugnern spaziert und für “Frieden und Freiheit” demonstriert. Eure extrem unangebrachten NS-Vergleiche. Eure schlecht recherchierten Fake News, die ihr von zwielichtigen Quellen bezieht und dann im Internet verbreitet. Eure ständige Empörung darüber, der Staat oder die Regierung würden euch in eurer Freiheit einschränken und wir würden uns in Richtung Diktatur bewegen. Bitte, mit jeder Demo beweist ihr doch, dass wir nicht in einer verdammten Diktatur leben. Wisst ihr, was eine Diktatur ist? Eure Grundrechte, für die ihr ja ach so gerne einsteht, habt ihr nach wie vor. Niemand zwingt euch, euch impfen zu lassen. Niemand schränkt euch darin ein, eure Meinung zu äußern. Wir alle wissen, dass es Länder gibt, in denen es undenkbar wäre, auf der Straße lauthals gegen die Regierung zu skandieren. Das sind Diktaturen. Würden wir in einer Diktatur leben, dürfte ich diesen Text nicht schreiben. Aber Äpfel und Birnen. Ihr denkt, dass ihr gegen Maßnahmen protestiert. Ihr protestiert im Endeffekt aber gegen ein Virus. Wir leben nicht in einer Diktatur, wir leben in einer Pandemie. Ihr demonstriert gegen eine Naturgewalt, gegen etwas, auf das einfach kein Land der Welt ausreichend vorbereitet war. Natürlich macht die Regierung Fehler im Hinblick auf die Pandemiebekämpfung - und das am laufenden Band. Nicht jede Maßnahme hat sich im Endeffekt als sinnvoll herausgestellt.  Und ja, man kann sich darüber aufregen. Aber ich frage an dieser Stelle noch einmal: Was ist die Alternative? Was ist euer Gegenvorschlag? Was wollt ihr verdammt noch mal? Ihr wollt euch all das “nicht mehr gefallen lassen.”  Die “Corona-Diktatur” sei “menschenunwürdig.” Wisst ihr, was menschenunwürdig ist? Sich ständig so aufzuführen, als wärt ihr ach so arm und benachteiligt und dabei bei euren depperten Demos ohne Maske und Abstand Menschenleben aufs Spiel zu setzen. 

 

Ganz ehrlich, ein wenig Corona-Diktatur würde manchen hier gut tun.

 

Ja, Menschen haben durch Corona ihre Jobs verloren. Hätte es die Maßnahmen nicht gegeben, wäre es nicht soweit gekommen. Die Kollateralschäden sind gravierend, das ist keine Frage. Aber hätte es die Maßnahmen nicht gegeben, hätten aber noch mehr Menschen ihr Leben verloren. Und weiter zu den Impfungen und Impfschäden: Impfgegner wurden bis Anbeginn der Pandemie noch belächelt und als Esoterik-Verwirrte abgestempelt. Und plötzlich mutieren immer mehr Menschen zu Imfpskeptikern und “Ich will mal abwarten, ich weiß noch nicht, ob ich mich impfen lasse”-Suderanten. Weil irgendwer, den irgendwer kennt, den irgendwer kennt, ganz böse Nachwirkungen von der Corona-Impfung hatte. Weil irgendein Arzt, den der Nachbar der Tante kennt, sich gegen Maskenpflicht ausspricht. Plötzlich weiß jeder, was so schädliches in den Impfstoffen ist, und dass sie eh nicht helfen. Euch für den Bali-Urlaub vor zwei Jahren aber impfen zu lassen, war kein Thema? Das ist einfach nur mehr lächerlich. Dabei ist das Muster ja kein neues: Diese Abneigung, sei es der Impfung gegenüber, den Maßnahmen oder den Verschärfungen resultiert aus einer allgemeinen Unzufriedenheit, Unsicherheit und Skepsis. Und das ist menschlich. Wir leben seit über einem Jahr in einem unglaublichen Chaos. Dieses auf und ab macht so einiges mit uns. Ständig hoffen wir auf bessere Nachrichten, darauf, dass all das ein Ende hat. Aber, auch wenn das niemand hören will, es wird noch dauern. Nein, niemand hat mehr Lust drauf. Aber: Die Zahlen werden nicht sinken, wenn weiterhin jedes Wochenende Corona-Demos stattfinden. Die Zahlen werden nicht sinken, wenn wir uns nicht an die Maßnahmen halten. Die Zahlen werden nicht sinken, wenn Fake News zu Impfschäden verbreitet werden. Und: Die Zahlen werden verdammt noch mal nicht sinken, wenn Menschen weiterhin versuchen, gegen ein Virus zu demonstrieren. Ganz ehrlich, über was diskutieren wir hier überhaupt? Ich hätte kein Problem damit, wenn man gegen diese Menschen viel radikaler vorgehen würde. Ein wenig Corona-Diktatur würde manchen hier gut tun. Ach, was? So krass? Ist ja bloß mein Recht auf freie Meinungsäußerung.


 

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