"Das Vermächtnis der Freiraumhure" - Wenn Jodel zu weit geht.

08. November 2016

Wer’s noch nicht kennt – Jodel ist eine App, die vorwiegend von Studenten genutzt wird. Sinn von Jodel ist es, anonym etwas zu schreiben und sich mit anderen über ein Thema auszutauschen. Im Nachrichtenfeed scheinen nur Posts auf, die in einem Radius von zehn Kilometern erstellt wurden. Man tauscht sich über das (zu laute) Sexleben der Mitbewohner, misslungene Tinderdates, Restfettsein in Vorlesungen und DIY-Hacks für die WG-Einrichtung aus.

So sieht ein typischer Jodel aus
So sieht ein typischer Jodel aus

Doch was passiert, wenn sich die Jodel-Community in eine Causa hineinsteigert, und einfach nicht mehr locker lassen will? Das war gestern in Wien der Fall. Der Sachverhalt lautete wie folgt: Ein Typ bekommt einen anonymen Anruf, dass seine Freundin (Namens Nadine, das ist später noch wichtig) gerade in dem Wiener Lokal „Freiraum“ mit einem anderen Typen sitzt, und das sehr nach Date aussieht. Sie hatte ihm aber zuvor gesagt, sie würde zu ihrer Familie nach Niederösterreich fahren. Er Jodelt darüber und macht sich auf dem Weg in besagtes Lokal.

Jodel
Jodel

Währenddessen fiebert die Community mit und will unbedingt wissen, wie es weitergeht.

Jodel
Jodel

Seine Befürchtung bestätigt sich, er erwischt seine Freundin wirklich bei dem Date. Die anonyme Anruferin war übrigens eine gemeinsame Freundin. Ihr denkt, somit hat sich die Story?

Jodel
Jodel

Nein. Jetzt geht es erst richtig los. Die Jodler, die mitgefiebert haben, stellen sich hinter den Betrogenen und fangen an, Rachepläne auszuhecken. Was am Anfang noch wirklich lustig und unterhaltsam ist, wird schnell ziemlich krass.

Jodel
Jodel

So liest man neben den "Gemma sie Reumann fetzen"-Klassikern (die jetzt nicht 100 Prozent ernstgemeint sind, will ich doch hoffen, werte Studenten) unter anderem Kommentare wie „Wegcocken die Alte“ „Reissts der Nadine die Schädeldecken eine“ , „Nadine du hast hunderte von Feinden, Freiraumslut!“ „Neues Geheimwort für Fotze: Nadine.“, „Nadine du Hure“  - und das sind noch nicht mal die Schlimmsten. Das Ganze läuft übrigens unter dem Hashtag #freiraumhure.

 

Nein, aber Biber!
Nein, aber Biber!

Das Vermächtnis der Freiraumhure

Mittlerweile ist die Causa Nadine über Jodel hinausgewachsen, und man tauscht sich in der Facebookgruppe mit dem klingenden Namen „Das Vermächtnis der Freiraumhure“ aus. Autsch. Leute, jetzt mal ehrlich. Das, was sie getan hat, ist wirklich nicht in Ordnung – aber  muss Nadine wirklich ihren gesamten Freundeskreis loswerden und im Internet bloßgestellt und aufs Ärgste beschimpft werden? Wer von euch anonymen Keyboard-Warriors, die die #Freiraumhure fertigmachen wollen, noch nie seine Freundin oder seinen Freund betrogen hat, der werfe den ersten Stein. Das sind dann immer die Lautesten. Hört mit diesem Slut-Shaming auf. Ich wette, wenn der Betrüger ein Mann wäre, wäre es nie so weit gekommen. Was als lustiger Jodel begonnen hat, ist einfach zu sehr eskaliert.  Bei Memes mit „Vielleicht brauchte Nadine einfach mehr...Freiraum“ lach ich gerne mit, bei „Wegcocken die Hure“ will ich einfach nur aufhören auf diesem Planeten zu Leben.

Jodel
Jodel

 

Ihr wollt die Elite sein?

Ihr wollt Wiener Studenten sein? Die Elite? Manch ein Bauarbeiter hat ein schöneres und weniger vulgäres Vokabular als ihr. Außerdem: anonym kann jeder das Maul aufreißen – in der Facebookgruppe sind die Kommentare viel zurückhaltender- eh klar, da unterschreibt man mit seinem Namen. (anm. die Gruppe wurde mittlerweile gelöscht.)  Wir bekommen als Redaktion am Laufenden Band Beschimpfungen, Hass-Mails und sogar Morddrohungen. Vielleicht liegt es mir deshalb so am Herzen, euch zurechtzuweisen. In der Gruppe und anonym kann jeder stark sein – zeigt mal Größe und chillt ein bisschen. Gebt Nadine ein wenig Freiraum. 

Hier der gesamte Jodel noch mal zum Nachlesen. 

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