Der syrische Kendrick Lamar

26. Februar 2016

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chyno, rap, flüchtlinge, syrien, libanon, hiphop
Foto: Marko Mestrovic

Nasser Shorbadj a.k.a Chyno hat syrisch-philippinische Wurzeln und lebt derzeit in

Beirut. Dort kündigte er seinen Job in der Bank, um zu rappen. Sein Sound erinnert an

Kendrick Lamar, seine Texte handeln von Bomben, Bürgerkrieg und Flucht.

Biber: Was willst du mit deiner Musik ausdrücken?

Chyno: Ich habe Familienmitglieder in Syrien, die jeweils verschiedene Meinungen und Fraktionen unterstützen. Ich versuche, das dortige Leben aus deren Sicht zu erzählen.

Im deinem Lied „O.P.P“ versuchst du, die Denkweise eines Selbstmordattentäters zu beschreiben. Was verleitet Menschen dazu?

Es sind auf jeden Fall Menschen, die für Gewalt empfänglich sind. Je nach dem in welches Umfeld man diese Leute steckt, wird aus denen ein Selbstmordattentäter oder ein Amokläufer.

Sind das böse oder zerbrechliche Menschen?

Ich würde nicht sagen zerbrechlich, es ist das Umfeld, das sie zu dem gemacht hat, was sie sind.

Im Gegensatz zu deinen Kollegen aus dem Gangster-Milieu ist deine Musik politisch angehaucht.

So ist nun mal mein Umfeld, da kann man nicht einfach Gangsterrap machen. Ich habe studiert und hatte eine normale Kindheit. Damit die Leute meine Musik gut finden, muss ich authentisch bleiben.

Fühlst du dich wie ein Botschafter für die syrischen Menschen?

Das würde ich nicht sagen. Ich bin halb Syrer und halb Philippiner. Da ich fließend arabisch spreche, versuche ich diesen Umstand zu nutzen, um auf die Lage dort aufmerksam zu machen. Meine ersten Raps habe ich auf Arabisch gemacht.

Wie war es für dich als halb Araber und halb P aufzuwachsen?

Man hat den Vorteil, dass man mehrsprachig aufwächst. Ich spreche philippinisch, englisch und arabisch. Mit meinem Vater hab ich arabisch gesprochen, mit meiner Mutter Tagalog (Anm. d. Red.:  Philippinischer Dialog) und untereinander haben wir englisch gesprochen. Ich fühle mich sowohl in Manila, als auch in Beirut wohl.

Man hört oft, dass man auf Arabisch besser fluchen und seine Wut ausdrücken kann. Eignet sich Arabisch besser für deine Lieder?

Ich will mit meiner Musik keine Wut ausdrücken, ich versuche es mehr mit Sarkasmus und Ironie. Damit kann man die Leute am besten erreichen, auch wenn wir genügend Gründe zur Wut haben.

Dein neues Album heißt „Making Music To Feel at Home“. Wo fühlst du dich zuhause? Ist es ein Gefühl oder ein Ort?

Ich glaube, das Gefühl von Zuhause ist eine Idee. Der Versuch des Albums ist es, die Identität des Individuums einzufangen. Als ich anfing, an dem Album zu arbeiten, war es wichtig, mich wie ein Syrer zu fühlen, um es authentisch machen zu können.

Was fühlst du, wenn du von deinen Landsleuten hörst, die gerade an der österreichischen Grenze warten, um ins Land gelassen zu werden?

Ich denke, wenn der Westen für Ideale wie Freiheit und liberale Werte steht, sollte man auch genauso handeln. Auch Katars und Saudi Arabiens Handeln ist zu verurteilen. Der Libanon ist ein Land mit vier Millionen Einwohnern und hat 1,2 Millionen Flüchtlinge aufgenommen, da dürften 200.000 für Österreich kein Problem sein.

Bist du religiös?

Ich habe den Haddsch (Pilgerfahrt nach Mekka) gemacht, ich bin auch in Saudi Arabien aufgewachsen, habe gefastet und den Koran gelesen. Trotzdem würde ich nicht sagen, dass ich religiös bin. Ich würde mich als Agnostiker bezeichnen, nichtsdestotrotz respektiere ich die Religion.

 

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