Von Schwangerschaften und anderen Turbulenzen

20. August 2015

Es fängt alles mit dem Moment an, in dem du den zweiten Streifen siehst. Und auch wenn der zweite Streifen nicht allzu deutlich ist, er ist unübersehbar. Zur Sicherheit machst du einen zweiten Test, aber auch der ist eindeutig: Du bist schwanger. Noch spürst du das neue Leben in dir nicht, man sieht es dir auch nicht an und trotzdem strahlst du, denn deine Welt wird sich verändern und das für immer und immer und immer und auch noch danach. Immer.

Wenn man sich eine Schwangerschaft so vorstellt, dass man endlich mit dem Kalorienzählen aufhören kann, strahlende Haut, glänzendes Haar, stärkere Nägel und einen schönen runden Bauch bekommt, dann Fehlanzeige. Hollywood hat uns diesbezüglich leider so richtig verarscht. Die Realität sieht so aus, dass man unsanft vom Ruf der Morgenübelkeit geweckt wird, unfreiwillig hier und da den ersten Pippitropfen in die Hose macht, auf jede Fressattacke eine unvergessliche Kotz-Ära folgt und das Atmen während dem Schlafen zur Herausforderung wird. Auch wenn man versucht sportlich zu sein und brav schwimmen geht, es wird Tage geben, an denen man nur dann aufsteht, um aufs Klo zu gehen und möglicherweise dort weiterpennt. Es macht überhaupt keinen Sinn sich im Internet Bilder von schwangeren Promis anzusehen – danach hasst man sich selbst umso mehr, anstatt dort Hoffnung zu finden spuckt man in sein eigenes Spiegelbild.

Aber das ist gar nicht das Schlimmste an der Schwangerschaft. Das Schlimmste daran, eine werdende Mama zu sein, sind jene Mütter, die schon längst welche sind. Sie meinen es mit ihren Ratschlägen nur gut, ihre Meinungen gehen aber noch weiter auseinander als Ost und West. Und du, du bist mittendrin!

Du wirst dich zwischen „Stillmüttern“ und „Flaschenmüttern“ wiederfinden, zwischen „Vollzeitmüttern“ und „arbeitenden Müttern“, zwischen „Impfmüttern“ und „Niemals-impf-ich-mein-Kind-Müttern“ und natürlich, zwischen „Krankenhausmüttern“ und „Ich-bring-mein-Kind-daheim-auf-die-Welt-Müttern“. Versuche gar nicht herauszufinden wer von ihnen richtig liegt, denn auf einer mütterlichen Art und Weise liegen sie alle richtig. Das einzige was sie falsch machen ist: Sie versuchen dich in „ihr Team“ aufzunehmen und wenn du dies nicht willst, „bist du keine gute Mama“. Im Moment bist du praktisch gesehen noch gar keine Mama, aber solltest du dich nicht für eines dieser „Teams“ entscheiden, dann schaut es generell schlecht für dich aus.

„Wenn du dich während der Schwangerschaft nicht darauf konzentrierst, immer glücklich und ruhig zu sein, dann ist das schlecht für das Baby. Deswegen mache ich momentan Yoga und höre Beethoven. Seine ganze Persönlichkeit entwickelt sich jetzt, wenn das Baby da ist, ist es schon zu spät- die entwickelte Persönlichkeit bleibt.“ Solche Sätze sagt man dir zu Zeiten, in denen du grundlos lachst und weinst- gleichzeitig, am Klo einschläfst, vom Lärm deiner eigenen Blähungen aufwachst, aussiehst wie der Tod auf Urlaub und Selbstgespräche auf drei Sprachen führst. Gratulation: Dein Kind wird ein Psycho!

Auch der Blick auf den eigenen Körper ändert sich. „Verabschiede dich von deinen prallen Brüsten, denn sobald du stillst, sehen sie aus wie riesige Rosinen. Trockene, verkrummte, faltige Rosinen. Je größer sie vorher waren, umso hängender werden sie danach, trag´ immer einen BH, wenn du lieber nicht über die Dinger stolpern willst.“ Solche Sätze kommen von „Flaschenmamis“, während „Stillmamis“ darauf schwören, dass Stillen etwas Magisches ist und das das Aussehen der Brüste für sie überhaupt keine Rolle spielt. „Also mit weiblich sein ist nix mehr, das einzige Parfum das du noch tragen wirst hat drei Essenzen: Kacka, Pippi und Kotze. Wenn du danach riechst, machst du es richtig. Und Romantik kannst du dir auch abschminken, du wirst nicht mal mehr neben deinem Mann schlafen, sondern dort wo du hinfällst. Solltest du schon vorher mit deinem Körper unzufrieden gewesen sein– und das trifft auf fast alle Frauen zu- dann Gratulation: Diese schlechten Tage waren deine besten als Frau."

Egal mit wie vielen Müttern du sprichst, deine Fragen werden nicht beantwortet, sondern du verunsichert. Es vergeht kein Tag, an dem du das kleine Wunder nicht gern sehen wollen würdest, wie sieht es denn wohl aus? Ist es auch gesund? „Ich mache wöchentlich einen Toxoplasmose-Test. Ich will nicht, dass das Kind irgendwie gefährdet ist.“ „Ich nehme Folsäure, ein paar Vitamine, Calcium, Magnesium und Eisen. Insgesamt 12 Tabletten am Tag. Hab ich selber beschlossen, ich brauche dazu kein Rezept, man muss selber für das Beste sorgen.“ Wenn du solche Sätze hörst, die Überzeugung, die dahinter steckt, bemerkst und das nicht auch haargenau so machst, dann geh´dich mies fühlen, du Rabenmuttter!!

Auch die Diskussion über den Geburtsort bleibt dir nicht erspart- nein- nicht die Stadt, sondern tatsächlich „der Ort“. Krankenhaus oder zu Hause?
„Wir müssen ein Zeichen gegen die industrielle Medizin setzen und zu Hause unsere Kinder auf die Welt bringen! Gib´ dem Monster keine Chance, dich mit PDA zu vergiften! Auch im Krankenhaus haben Hebammen die Oberhand, weil es sie lange vor Ärzte gegeben hat! Wenn mein Kind ein Sommerkind gewesen wäre, hätte ich es sogar mitten in den Armen von Mutter Natur geboren.“ Nach solchen Sätzen weißt du, dass du noch dazu eine verwöhnte Rabenmutter bist, immerhin willst du ins Krankenhaus, du Bobo-Mama.

Aber das ist gar nicht die größte Diskussion, die allergrößte Diskussion ist der Name. Wie soll dein Wunder heißen? „Ich habe meinem Kind einen österreichischen Namen gegeben, damit es kein Opfer von Rassismus wird. Wenn ich das nicht tue, dann wird das Kind wegen meiner Entscheidung noch psychisch instabil. Kinder können ja so grausam sein.“ Wenn du also auf einen ausländischen oder gar muslimischen Namen gesetzt hast, dann Gratulation: Du hast in allen Kategorien lächerlich versagt, denn dein Sohn heißt nicht Franz und deine Tochter auch nicht Gertrud.

Aber all das, all diese Verunsicherungen, sie vergehen. Sie bedeuten in Wahrheit nichts. Denn in dem Moment, indem du dein eigen Fleisch und Blut zum allerersten Mal in deine Arme hältst, spielt all das keine Rolle mehr. All die skeptischen Stimmen verstummen. Du gehörst ab dann zu einem eindeutigem Team- dem Team deines Kindes. Es geht nicht um dich, nicht mehr. Auch wenn sich dein Leben bisher um dich gedreht hat, auch wenn du bisher immer die Hauptrolle warst, das hat sich nun verändert. Es dreht sich alles ganz allein um dein Kind und darum, was dir dein Instinkt sagt. 

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