Wie (über)leben Menschen in Serbien?

09. Juni 2016

Carepaket

Carepaket
(c) Pixabay.com

Bevor ich wieder nach Serbien gezogen bin, habe ich nie darüber nachgedacht, wie der Lebensstandard in Serbien mit Preisen und Gehältern zusammenpasst. Nun bin ich seit drei Monaten in Belgrad und frage mich: Von was leben diese Menschen?

Wer schon einmal in Belgrad war, weiß: Weder Restaurants, Clubs noch Supermärkte sind billig. Die Preise sind vergleichbar oder ein wenig niedriger als in Wien. Für eine Einzimmerwohnung zahlt man hier mit Nebenkosten gut mal 250 bis 300 Euro. Offiziell liegt das Durchschnittsgehalt in Serbiens Hauptstadt bei 400 Euro. Die Realität sieht allerdings anders aus: Verkäuferinnen verdienen zwischen 150 und 200 Euro, Lehrerinnen 300 bis 400 Euro. Ein Journalistengehalt beträgt um die 250 bis 350 Euro, abhängig von der Position. Ein Ambulanzfahrer verdient 220 Euro im Monat.

Vom Schlamm auf den Asphalt

Ehrlicherweise gibt es natürlich Ausnahmen. Ein Manager verdient hier locker mal 2000 Euro, ein Arzt seine 700 bis 800 Euro. Diese Berufe bilden allerdings in der breiten Masse eine Ausnahme.

Die Frage, die ich mir stelle, ist: Wie passt das alles zusammen?

Eine Bekannte erklärt es mir folgendermaßen:

Belgrad teilt sich in zwei grobe Gruppen auf: Die, die wirklich hierher kommen und die, die aus einem Dorf 40 Kilometer entfernt stammen.

Die, nennen wir sie echten Belgrader besitzen in der Hauptstadt meist Eigentumswohnungen. Somit entfallen für sie die Mietkosten. Mit ihrem Gehalt schaffen sie es, die Nebenkosten zu decken, aber meist wohnen sie noch mit 30 daheim und die Eltern übernehmen die Rechnungen sowie die Verpflegung.

Die andere Gruppe muss zwar Miete und Kosten zahlen, wird aber dafür von zu Hause ernährt. Wie das? Jedes Wochenende fahren zigtausende Autos aus Belgrad raus, zurück in ihre Heimatorte. Dort wird der Kofferraum bepackt mit frischem Obst und Gemüse und natürlich: Mama hat für die ganze Woche vorgekocht, sodass man sich ums Essen zumindest keine Sorge machen muss.

#reallife: Studentenleben

Junge Menschen, die zum Studieren nach Belgrad kommen, leben im Schnitt von 100 Euro im Monat. Jeden Freitag stehen sie massenweise am Busbahnhof und warten auf ihre Carepakete. Da sich die meisten Studenten das Essen in Belgrad nicht leisten können, schicken ihnen die Eltern eine Wochenration von daheim, umgerechnet für 2 Euro per Bus. Die übrigen 100 Euro gehen für Öffiticket, Unibücher und so weiter schnell dahin. Studenten leben wohl am schlechtesten in der serbischen Hauptstadt. Die meisten sind in Studentenheimen einquartiert, die lediglich 30 Euro im Monat kosten, man sich die Zimmer aber auch teilweise zu viert teilen muss.

 

Kein normales Leben in Aussicht

Egal, zu welcher Gruppe man in Belgrad gehört (außer zu den Managern, Kriminellen und generell Reichen aus unbekannten Gründen), kann man kein normales, selbstständiges Leben führen.

Die Löhne sind fernab von jeder Realität niedrig und die Preise ebenfalls viel zu hoch, sodass man ohne familiäre Stützen hier wohl kaum überleben kann.

Ehrlich gesagt habe ich Respekt davor, wie die Menschen das wiegeln.

Aber sie haben wohl keine Wahl.

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