Wo kommst du wirklich her?

30. September 2015

Wer kennt diese Frage nicht? Bist du ein dunklerer Hauttyp, hast du wilde Locken, oder trägst du außergewöhnlichen Kopfschmuck? Dann weißt du genau, was ich meine.
Nur wenige Menschen mit Migrationshintergrund sind mit blondem Haar und blauen Augen gesegnet worden und somit von Natur aus getarnt. Diese Leute werden spätestens von ihren ausländischen Namen verraten, werden im Alltag jedoch weniger mit der Herkunftsfrage konfrontiert. 

Ich persönlich wurde schon öfter gefragt, woher ich wohl kommen mag, aber eine ganz bestimmte Begegnung werde ich niemals vergessen. Damit das Ganze noch unterhaltsamer ist, habe ich die Begegnung in Reimform verfasst. Mit der Zeit lernt man eben, auch solche Situationen mit Humor zu nehmen.
 

Wo kommst du wirklich her?

Sie musterte mich von Weitem schon,
verlor mich nicht aus ihrem Blick.
Als sei ich eine Illustration,
Bin ich ihr vielleicht zu dick?!

„Wo kommen Sie her, liebes Kind, genau?“
Kam dann von ihr die Frage g´schwind.
„Aus Wien komm' ich, liebe Frau.“
Danach ihr Make-Up fast verrinnt,


wiederholt fragt sie mich wieder:
„Kind, wo kommst du wirklich her?“
Ich dachte vielleicht hört sie schwer,
„Aus Wien Donaustadt!“, rief ich daher.

Sie musterte mich wieder still,
als ob sie mich würgen wollte.
Ich weiß auch nicht, was sie will,
warum sie seit Anfang schmollte.

Sie nahm dann plötzlich meine Hand,
kam näher an mich heran,
fragte mich wieder woher ich kam,
und was für Sprachen ich so kann.

„Aso! Jetzt versteh' ich Sie!“
Ein Lächlen zauberte sich auf ihr Gesicht.
Sie erwartete einen fernen Ort,
doch ich war noch nie so weit fort.
„Ich komme aus Wien Floridsdorf.“

Diese Antwort schmeckte ihr nicht,
lag es etwa an meinem Gesicht?
Meine Augen sind nicht blau,
und meine Haut auch nicht hell,
aber als österreichische Frau,
brauche ich das denn offiziell?

„Sie tragen ein Kopftuch,
Sie sind eine von der Sharia!“
„Was Sie stört ist das Kopftuch?
Mein Vorbild ist die Jungfrau Maria.“

Stille. Sie schien schockiert.
Eine österreichische Muslima,
und Verehrerin von Jungfrau Maria,
das hat sie nicht kapiert.

Ich versuchte ihr zu erklären:
„Ich liebe mein Österreich,
eine andere Heimat kenne ich nicht.
Oft ist das Leben hier nicht leicht,
aber auf Heimat ist nunmal kein Verzicht.

Ich sehe nicht europäisch aus,
kann aber die Sprache astrein,
kenn mich mit der Kultur auch aus,
Und ein Dirndl steht mir fein.

Für mich ist Wien mein Daham,
auch wenn mein Glaube ist der Islam,
beide gehören für mich einfach z'amm
und sind keine Gegensätze, Madame.“

Sie zuckte mit den Achseln und ließ mich steh'n,
vielleicht wird sie es auch nie versteh'n
und auf ihrer Meinung sogar besteh'n,
dass es zu Österreich nicht passt -
mein Ausseh'n.

Heimat ist nicht oberflächlich,
sondern ein Bündel voller Emotionen.
Es gilt dabei hauptsächlich
Heimat zu genießen,
auch in solchen Situationen.

 

Blogkategorie: 

Kommentare

 

"Nur wenige Menschen mit Migrationshintergrund sind mit blondem Haar und blauen Augen gesegnet"

Lol

Das könnte dich auch interessieren

Foto: Zoe Opratko
Zum Abschied gibt es kein Trompeten­...
Foto: Marko Mestrović
Ob Hijabi-Style, koschere Perücken oder...
Foto: Marko Mestrović
Nicht über die Communitys zu sprechen,...

Anmelden & Mitreden

2 + 0 =
Bitte löse die Rechnung