Putins bizarres Geschichtsbild- wie tickt der Möchtegern-Zar?

27. Februar 2022

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Photo by Valery Tenevoy on Unsplash

21. trifft auf 19. Jahrhundert. Ein Kommentar.

 

Nachdem ich Putins Kriegsansprache hörte und anschließend Auszüge aus seinem Essay „Zur historischen Einheit von Russen und Ukrainern“ aus dem Sommer 2020 las, musste ich meinen Kopf so fest schütteln, dass mir die AirPod's aus den Ohren fielen. Ich bin immernoch erstaunt darüber, wie ein Politiker des 21. Jahrhunderts nur so einen Quatsch von sich geben kann. Putin versucht im besagten Essay über 100 Jahre ukrainische Staatlichkeit zu relativieren. Dabei setzt der Ex-KGB Agent sehr geschickt historische Fakten ein, um seine Argumente zu stützen, und tut so, als sei die „Historie“ wichtiger, als ein Jahrhundert währende, gesamtgesellschaftliche Entwicklung der ukrainischen Gesellschaft.
In der Geschichtswissenschaft nennt man das Historismus. Der Historismus ist eine Strömung des 19/20. Jahrhunderts und seine Vertreter behaupten, grob gesagt, dass der Schlüssel zu allem Menschlichen in der Geschichte liegt. Also in der Geschichte weißer Männer, welche große Völker anführen, und hier und da eine epische Schlacht schlagen. Für serbische „Historisten“ zum Beispiel ist das Kosovo serbisch, weil serbische Adelige die Amselfeld-Schlacht und somit auch das Gebiet vor 633 Jahren an die Osmanen verloren. Somit werden mindestens 100 Jahre gesellschaftliche Entwicklung am Kosovo einfach ignoriert und letztendlich relativiert.

 

Geschichtlicher Historismus stärkt das Nationalgefühl einer Gesellschaft und bietet reichlich Vorwände für Krieg und Zerstörung. Das ist, was Wladimir Putin sich zurzeit wünscht. Der russische Möchtegern-Zar ist eben kein typischer Politiker des 21. Jahrhunderts. Sein Geschichtsverständnis erinnert mich sehr stark an das der Männer im 19. Jahrhundert, welche den ersten Weltkrieg ausgelöst haben. Sobald ich mich wieder mit den Möchtegern-Zaren beschäftige, welcher die Geschichte blutig umschreiben möchte, werde ich meine AirPods wohl herausnehmen, bevor jemand im Büro noch darauf steigt und so kaputt macht.

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Kommentare

 

Es gibt aktuell nur noch ein Szenario, in dem Russland nicht wirtschaftlich ruiniert wird. Das ist ein zeitnaher Abgang von V. Putin in irgendeiner Form.
Wenn Russland in dem Krieg siegt und die Ukraine unterwirft, dann werden die Sanktionen bleiben und die ohnehin schwache russische Wirtschaft in den Abgrund stürzen. Ausserdem dürfte ein zehrender, teurer Guerilla-Krieg in der Ukraine bleiben, der kaum zu gewinnen ist.
Wenn V. Putin die Ukraine nicht besiegt, dann wird die Ukraine rechtmässig Reparationsforderungen über hunderte Milliarden stellen und der Westen wird helfen diese durchzusetzen.
So oder so, Russland wird sich wirtschaftlich ruinieren, ausser V. Putin wäre zeitnah weg und es gibt einen Neuanfang.

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