"Papa, warum habt ihr nichts unternommen"?

16. November 2022

„Klima-Terroristen“, „Klima-Chaoten“, „Klebt sie an Zellenwänden fest!“. Wenn junge Menschen aktiv werden, um gegen den drohenden Klimakollaps unseres Planeten zu demonstrieren, verliert so manch einer von den Kritikern seine Contenance. Die Aktivist:innen werden wüst beschimpft, mit Gewaltfantasien bedacht, ihre Anliegen als hysterisch und unwahr bezeichnet.


 

Vor kurzem haben Mitglieder der „Last Generation“ im Leopold Museum ein Gemälde von Gustav Klimt mit Öl übergossen. Das Museum war zum Zeitpunkt des Zwischenfalls rege besucht, weil am „Leopolditag“ der Eintritt gratis ist. Die Methode, weltbekannte Kunstwerke, die als kulturelles Erbe unserer westlichen Welt verstanden werden können, anzupatzen, scheint mir fragwürdig. Trotzdem unterstütze ich die Anliegen der Klimaaktivist:innen.

Lieber kleben als sterben

Warum? Als Vater eines vierjährigen Buben muss ich die „Klima-Terroristen“ unterstützen. Ich möchte, dass mein Sohn, Schnee in seinen Händen spürt, ohne auf einen Gletscher fahren zu müssen. Ich möchte, dass er sein Leben nicht unter einer Klimaanlage verbringen muss. Ich möchte, dass er Fleisch (falls er nicht Vegetarier wird) von glücklichen Tieren isst und Wälder erforscht, die nicht niedergebrannt oder abgerodet sind. Er soll durch Autofreie Alleen und Straßen herumschlendern, ohne die Schadstoffe einatmen zu müssen. Vom gesundheitsschädlichen Lärm ganz abgesehen. Ich will nicht, dass mich mein Sohn eines Tages vorwurfsvoll fragt: „Papa, warum habt ihr nichts unternommen?“

Ich finde es übrigens immer wieder faszinierend, wie wenig Platz uns in der Stadt zum Leben gegönnt wird. Ja, auch das ist einer der Gründe, warum Kids aus gut situierten Familien Gemälde mit Öl übergießen oder sich freiwillig auf die Straße kleben. Es geht um ihre Zukunft und nicht um die ein, zwei Jahrzehnte der Klimademo-Kritiker, die zehn Minuten länger in ihren fetten Karren mit Sitzheizung ausharren müssen. Die Jugendlichen haben zwei Jahre lang die Arschkarte gezogen. Corona, Quarantäne, Absage der Maturareise, mühsame Maßnahmen in der Schule. Dabei wollen alle Jungen leben. Das ist ihr gutes Recht! Zuerst beschweren wir uns, dass die Jugend so unpolitisch ist und wenn aber unser Nachwuchs jetzt auf die Straßen geht, werden sie zu Terroristen diffamiert.

Das ist schäbig und sagt mehr über den Absender als den Empfänger dieser Worte. Klar, wenn ein Rettungswagen behindert oder ein Kunstwerk beschädigt wird, finde ich das nicht in Ordnung. Aber zivilen Gehorsam oder Widerstand unterbinden zu wollen, ist höchst anti-demokratisch. Daher: Raus auf die Straße!

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Kommentare

 

Bei einer Verkehrsblockade kann man immerhin noch einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen Aktion und Ziel erkennen. Allerdings auch mit gefährlichen Nebenwirkungen. Bei der Beschädigung von Kunstwerken dagegen nicht. Das ist einfach nur billiger Blödsinn.
Mit dem Argument des "Aufrüttelns" um jeden Preis liessen sich auch Terroranschläge rechtfertigen. Es gibt durchaus intelligente Protestmöglichkeiten. Nur kommen die "Klimaaktivisten" nicht darauf..

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