Die letzte generacija

06. Juli 2023

In „Ivanas Welt“ berichtet die biber-Kolumnistin Ivana Cucujkić-Panić über ihr Leben - Glamour zwischen Balkan und Baby

Foto: Zoe Opratko
Foto: Zoe Opratko
Von Ivana Cucujkić-Panić
 
 
Zu meiner Zeit wurden Feste noch gefeiert, wie sie fielen. Bis in die Morgenstunden bei Qualm und Lärm, bis unsere Väter peinlich auffielen und wir Kinder erschöpft auf dem Schoß einer Großmutter eingesackt sind. Nicht unbedingt auf dem unserer eigenen. Aber irgendein älterer Mensch über 70, 80 war immer zugegen und selbst bereits viel zu lange wach und zu müde, um auf den Nachwuchs von verantwortungslosen, feierwütigen Eltern aufzupassen.
Die neuen Jungen machen nicht mehr mit
Wir sind die letzte Generation, die ihre halbe Kindheit schlafend auf Stühlen bei 100 Dezibel verbracht hat. Playdates existierten damals noch nicht. Kindergeburtstage wurden nicht in Spielcafés, sondern in der Kafana (Beisl) veranstaltet. Liveband statt Clown-Show, Sängerin mit Ausschnitt statt Elsa-Prinzessin. „Wir haben das auch so mit euch gemacht. Und, hat‘s euch geschadet?“, fragten sie. Also wagten wir das Experiment und nahmen den Zwei- und den Fünfjährigen mit zur ersten Jugofeier. Wird schon gut gehen, sagen wir. Viele Kinder werden da sein, feuern wir uns an. 
 
Dezibel & Paw Patrol
Und da saßen wir nun – oh, Fehler – standen wir nun, für die nächsten acht Stunden, rannten, trösteten, entfernten spitze Gegenstände von allen Oberflächen. „Wie lange dauert das noch?“ Junge, die Wahrheit, dass das hier jetzt nicht mehr aufhören wird, erträgst du nicht, und deine Reaktion darauf werde ich nicht ertragen können. Deswegen lüge ich dich wohlwollend und ohne Skrupel an und liefere dir eine Antwort, die du zeitlich einordnen kannst und die mir für die nächsten zwei Stunden Luft verschafft: „Also, die spielen jetzt noch so lange wie vier Paw-Patrol-Folgen dauern.“
Fünfjährige haben ein recht gut entwickeltes Zeitgefühl, wenn es um Screen-Time geht, also kam er zwei Stunden später, seinem Alter entsprechend komplett überfordert und überstimuliert, und forderte ein, dass „diese schirche laute Musik abgeschaltet wird“. Als Mutter lernt man irgendwann Lippenlesen, deswegen habe ich trotz der lauten „Kalašnjikov“-Darbietung der Band die Message meines ungehorsamen Filius verstanden: Und sollte ich das diesem Mann dort nicht sagen, mache er das. Achja, genau, machst du, denk ich mir. Falsch gedacht. Diese neue Generation scheißt sich nix und geht zum Kellner.
Marschieren, skandieren, das Jugofest sabotieren
Was ist los mit diesen neuen Jungen? Marschieren die los und fordern ihre Rechte auf altersgerechte Lautstärke, rauchfreie Lungen und so ein. Und geben keine Ruhe, picken an dir, skandieren, bis du endlich nachgibst und diesen verdammten Eventsaal und dein noch immer volles Weinglas verlässt, um an der frischen Luft einem violetten Luftballon nachzujagen. Auf 11 Zentimetern. Auf Schotter. Und nirgends eine Oma oder ein Opa in der Nähe, die übernehmen könnten, sodass ich mir stattdessen in Ruhe einen anzwitschern, mein neu bestelltes Glitterdress vor der Kamera präsentieren und komische Verwandte am Nebentisch dissen könnte. Die Generation meiner Eltern hatte diese Freiheiten. Hatte Privilegien. Hatte Großeltern, und ich eine Uroma und einen Uropa, die nicht von meiner Seite wichen, als ich wieder mal auf einem Jugofestl bisschen erschöpft, bisschen verschwitzt und bisschen dreckig unmittelbar neben dem Lautsprecher, auf irgendeiner Holzbank oder eben allem, was man zu einem improvisierten Schlafplatz umfunktionieren kann, eingeschlafen war. Auch auf dieser Feier waren kaum noch Omas und Opas unter den Gästen. Dafür aber viele Eltern, die mehr schlecht als recht zum Trompetensound abfeierten. Eine Generation verschwindet. Wir sehen uns im Spielcafé! ●

 

 

 

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