Ich bin zu alt für Festivals.

11. Juli 2014

Wenn ich ehrlich bin, hatte ich in letzter Zeit eine totale Sommerloch-Schreibblockade. Schlimmer noch, diese fing an, sich beim Ausblick aus dem Fenster in eine anbahnende Winterdepression zu verwandeln. (Oder Herbst, oder Whatever, Sommer ist das da draußen jedenfalls keiner.) Nachdem in meinem Zimmer kein einziges Staubkorn mehr vorzufinden und jeder meiner Nägel in Glitzer lackiert war, habe ich angefangen mich zu fragen, mit was ich mich eigentlich in den letzten Jahren im Sommer beschäftigt hatte. (Wenn nicht gerade Arbeit oder Urlaub.) Und dann wanderte mein Blick zu dem Knäuel an Festivalbändern, das über meinem Schreibtisch hängt. (Die habe ich übrigens letztens in einem ,,So-jetzt-bin-ich-Erwachsen“-Moment alle runtergeschnitten. Hat sehr weh getan, war sehr emotional.) Aber Bingo! Endlich eine Idee für den Blog, endlich eine Motivation, wieder in die Tasten zu hauen.

Es sind nicht die Festivals ,die schlechter werden, ich werde einfach zu alt dafür.

Aber Festival-Guides gibt es wie Sand am Meer. Wer, wie, wo, wann, was und wieso kann man auf jeder Festivalseite herausfinden. Wie man sich zu kleiden hat, in jeder zweiten Zeitschrift. Do’s & Dont’s habe ich letztes Jahr schon aufgelistet. Dass Festivals in Österreich heutzutage überteuert und schlecht organisiert sind, weiß jeder, der schon einmal auf einem war. Und trotzdem bin ich immer so gerne hingefahren. Dann überkam es mich: Es sind nicht die Festivals, die schlechter werden, ich werde einfach zu alt dafür. Wenn ich mir jetzt vorstelle, ich müsste bei diesem Wetter drei Tage lang mit nassem Gewand, nassen Haaren , nassen Socken in einem nassen Schlafsack in einem nassen Zelt auf einem nassen Feld schlafen, und das alles wohlgemerkt freiwillig...Oh no, bitte nicht. 

Drei Tage Billigwein ohne Kopfweh

Eigenartigerweise war das für mich vor vier, drei, sogar noch zwei Jahren alles weniger ein Problem und mehr ein Highlight meines Jahres. (Also nicht die nassen Socken, aber das Festivalwochenende an sich.) Okay, die spartanischen Lebensbedingungen gehören bei einem Festival nun mal dazu. Was mich allerdings noch mehr abneigt ist die Tatsache, wie viel man für den Spaß zahlt. Natürlich, wer seine Lieblingsacts einmal live sehen will, muss vorbereitet sein, dafür zu blechen. Aber zum Preis des Tickets selbst kommen noch ständige, vermeintlich unnötige Ausgaben wie Shuttlebus, Müllpfand, Becherpfand, (die 9 € Spritzer und 7€ Pizzaschnitten will ich gar nicht erwähnen) und und und. Und dann die Organisation.

Als ich mir durchgelesen habe, wie viele Beschwerden es auf der Facebookseite des diesjährigen Urban-Art-Forms- Festivals gab, freute ich mich insgeheim, diese von meinem trockenen, warmen Sofa aus zu lesen. Als ich vor ein paar Jahren als junger Hüpfer dort noch zwischen den Stages herumgehüpft bin, hatten diese zumindest länger als bis 23.00 Uhr offen. Aber schon damals haben so viele Kleinigkeiten nicht gepasst, dass man sich echt an den Kopf greifen konnte. Aber irgendwie schien mir das damals nicht so viel auszumachen. Da war es auch kein Problem, sich drei Tage lang von Billigwein zu ernähren, ohne danach drei Tage lang an den Folgen zu leiden. Sich zu viert (zu fünft, wenn man den überall präsenten Schlamm dazu zählt) in ein Zweimannzelt zu quetschen, damit sich alle ausgehen. Außerdem, wer hat damals schon geschlafen. Zwei Stunden reichen, schlafen kann man noch wenn man tot ist. (Und duschen auch.)

Jung, ungeduscht und zufrieden

Wenn es sich jetzt so anhört, als würde ich meine Freizeit am Liebsten damit verbringen, zu stricken , meine Katze zu streicheln und über meine Kreuzschmerzen zu plaudern, nein, so ist das nicht. Ich gehe immer noch liebend gerne fort, allerdings freue ich mich dann beim Nachhause kommen über ein warmes Bett und eine Dusche, zwei Tage hintereinander Party spielts auch nichtmehr. Und wenn ich wieder einmal Lust habe, wegen der Musik auf ein Festival zu fahren, werde ich das so machen, wie die Leute, die von mir früher ein ,,Oh gott wie peinlich, die haben ja keine Ahnung“ bekommen haben, ich werde mir eine gescheite Unterkunft suchen.Ja, für manche Sachen  wird man einfach irgendwann zu alt. Aber vielleicht behalte ich mir das Knäuel an Bändern so lange, bis ich vor meinen Enkelkindern darüber prahlen kann. Dass ich auch einmal jung, ungeduscht und zufrieden damit war. 

Beatpatrol 2010

 

Perspektivenfoto Beatpatrol 2010

 

 

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