Mein Mandela

07. Dezember 2013

In einer Welt wo Wörter wie „Yolo“ und „Swag“ zum alltäglichen Ausdruck der Gefühle gehören, sterben immer häufiger Menschen, dessen Namen nur wenigen von uns ein Begriff sind. Das Schlimme daran ist: es ist vielen wurscht!

 

 

Chill dein Leben, oida!

Wir leben in einer Welt, die eher virtuell stattfindet. Wir erfahren alles online, teilen alles online und denken nur noch online. Nicht selten sehe ich auf der Straße an ihrem Smartphones fixierte Jugendliche, die von der realen Welt abgekapselt sind, obwohl sie sich körperlich in diese begeben. Als ich heute mehrere Jugendliche fragte, ob sie wüssten wer Nelson Mandela war und was er tat, bekam ich fragende Gesichter als Antwort. Auf meine Bemerkung, dass er starb, bekam ich diese Antwort „Chill den Leben, Oida!“ Warum sollten sie ihn auch kennen? Immerhin schrieb er keinen Popsong, hatte kein Duett mit Pitbull und gewann keinen Oscar für einen Quentin Tarantino Film. Ja, viele wissen, dass er starb und posten das brav auf Facebook, aber wenige wissen, wer er war, oder was er für die Menschheit tat.

 

Was ist noch echt?
Wenn Menschen wie Roosevelt, Jane Addams, Luther King, Ghandi, Mandela und ihre Ähnlichen sterben, was bleibt dann über? Wo geht die Menschheit hin? Auf wen kann man sich verlassen? Werden Menschenrechtler demnächst Slimjeans und Hoodies tragen? Wer wird unsere Kinder prägen? Ich muss ehrlich gestehen, dass ich mit der Nachricht seines Todes nicht unmittelbar Trauer verspürte. Der Tod Nelson Mandelas versetzte mich jedoch in Angst.

Ich kann mich noch sehr genau daran erinnern in der Volksschule das Gedicht „Kapitän“ von William Henley gelernt zu haben. Heute, fast sechzehn Jahre später, hängt es noch in meinem Zimmer und ich erinnere mich jeden Tag damit, dass ich der Kapitän meiner Seele bin. Dieses Gedicht, das eine grenzenlose Kraft in sich trägt, wurde durch Mandela inspiriert. Ein einzelner Mann und seine Taten inspirierten einen anderen Mann, der so etwas schreibt und wiederum andere Menschen damit inspiriert. Mandela schaffte eine Kettenreaktion des Mutes. Er veränderte die ganze Menschheit. Und genau so lebte er. Es war seine Überzeugung, dass ein einzelner Mensch in der Lage ist, die Menschheit zu ändern, so wie er es tat. Aber nun ist er gestorben. Und ich frage mich ganz besorgt, welche Gedichte meine Kinder wohl in der Schule lernen werden.

 

 

 

Was werden die Kinder der Zukunft mitbekommen, wenn die Leute, die Freiheit zu schaffen wagen, sterben? Vielleicht bin ich auch etwas zu pessimistisch, denn immerhin haben diese Leute schon viel Gutes getan. Vielleicht sind einfach wir jetzt dran etwas zu tun. Vielleicht haben sie ihre Weisheiten mit uns geteilt und diese mutig ausgelebt, damit wir uns auch mutig fühlen. Und ich weiß ganz genau, dass ich vieles nur wagte, weil Ghandi sagte, dass ich das kann. Ich habe auch oft meinen Weg gewechselt, nur weil Mandela sagte, dass ich das kann. Und ich habe oft Unrecht nicht zugelassen, weil Luther King mir zeigte, dass ich sie Stärke hätte das zu tun. Doch, sie haben mich geprägt. Und ich hoffe, dass ich diese Gedanken, diese Einstellung und diesen Mut an meine Kinder weitervererben kann, und an deren Kinder, und deren Kindeskinder. Diese Helden sind vielleicht gestorben, jedenfalls körperlich, sie haben aber nicht umsonst gelebt. Denn egal wie bobo unsere Welt ist, und wie sehr sie uns swagt, eines stimmt: Wir alle tun yolo! Es ist aber möglich, dass man yolo und Discos abklappert, teuer lebt und sich an jedem Wochenende betrinkt, eben weil man yolo. Oder: Man nützt es aus, dass man yolo, und yolot so, dass wenn man nicht mehr da ist, trotzdem wie ein Stern am Himmel anderer scheint.

 

 

 

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