Sej Maj Nejm, Sej Maj Nejm!

09. September 2021

Meinen Namen muss man nicht auf Anhieb fehlerfrei aussprechen können. Aber der Versuch muss verdammt noch mal echt drin sein.

von Ivana Cucujkić-Panić

Es ist September 1994. Die kleine Ivana kommt in die AHS. Das neue Rüschenkleid sitzt, die stolzen Eltern warten aufgeregt im vollen Festsaal. Der Schuldirektor teilt die Klassen ein: „In die 1 C kommen: Phillip Gartner, Marlice Hüttinger, IvAAna Tsuu..kuj..Ja, das ist jetzt etwas schwierig, Tsukujitsch, Lisa Wallner,…“ Die kleine Ivana fühlte sich nun winzig klein. Sie erhob sich vom goldenen Samtstuhl aus der fünfzehnten Reihe und schlich sich beschämt zu ihren neuen Klassenkameraden. Mein Name wurde verstümmelt. Fünf Sekunden lang. Alle Lisas und Phillips blickten nun auf mich. Und ich auf den Boden. Es sollte ein denkwürdiger Augenblick fürs Familienalbum sein. Der Schuldirektor hat ihn versaut. Er konnte meinen Namen nicht aussprechen. 

IM PHONETISCHEN MÜLLEIMER ENTSORGEN

Möglich, dass er noch nicht so viele ausländische SchülerInnen-Namen ausrufen musste. Und ‚Cucujkić ‘ ist, Hand auf’s Herz, next Level Artikulation. Ich poche da gewiss nicht auf Perfektion. Selbst für Jugos ist mein Familienname ein Zungenbrecher. Ich spreche auch nicht alles richtig aus. Aber ich frage nach. Jedes Mal. Weil es den Namensträgern wichtig ist. Weil sie sich wertgeschätzt fühlen. Es ist schon nett, wenn die eigene Identität nicht gleich im phonetischen Mülleimer landet. Aber auch Magistratsmitarbeiter oder die Ordinationshilfe dürfen ruhig ein gängiges Güngör oder Stefanović korrekt über die Lippen bringen. Denn meistens darf dann ‚Frau Cukujikitsch‘ als nächstes zur Ärztin rein. Da bekommt ‚eine Frau Kujkujkovik‘ das Paket überstellt. Ich reklamiere meist vorauseilend: „Cäsar, Ulrich, Cäsar, Ulrich, Johann, Konrad, Ida, Cäsar. Und das Stricherl von links unten nach rechts oben, Haček. Genau. Tsutsuikitsch.“ 

DAMIT ES DIE ÖSTERREICHER AUSSPRECHEN KÖNNEN!

Selbst meinem, wie ich finde, simplen Vornamen, wird die Betonung auf dem „i“ oft verwehrt. Also habe ich bei der Geburt meiner beiden Söhne überlegt, deren Namen nach Österreichtauglichkeit auszuwählen, wo akzentuierungstechnisch nichts schief gehen kann. Tim. Jan. Oder Hans. Und dann hab‘ ich mich selbst gefragt, ob ich eigentlich ganz deppert bin. Nein, das machst du nicht, Ivana! Die werden hier alle die Namen deiner Kinder korrekt aussprechen lernen. Ansonsten kannst du dich auch gleich in Stephanie oder Susi umetiquettieren lassen. So ist es meiner vermeintlichen Tante ‚Ana‘ passiert. Ihre erste Arbeitgeberin in Österreich tat sich schwer mit ihrem richtigen Namen. „Frau Chefin“ konnte ‚Aurika‘ nicht aussprechen. Eine kurze, einfache, deutsche Alternative sollte es sein. Muss wohl etwas mit den Ursprungsländern der Namensträger zu tun haben. Bei ‚François’ und ‘Anouk’ wird der Kiefer zum besten Touristen-Französisch verrenkt, da kommt jedes accent an die richtige Stelle. Darf man das bitte für die Ivanas, Damirs, Menervas und Amirs der Schulklasse 2021 auch erwarten?

 

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