„Zusperren ist keine Lösung“

04. Februar 2016

Islamwissenschaftler Ednan Aslan über die Rolle von Religion im Kindergarten und warum es schwer ist, radikale Tendenzen zu erkennen.
 

Ednan Aslan
Stanislav Jenis / picturedesk.com
biber: Herr Professor Aslan, angenommen Sie wären Kindergarten-Inspektor der Stadt Wien. Wie viele der rund 150 islamischen Kindergärten würden Sie zusperren?

Ednan Aslan: Ich würde gar keinen zusperren, das ist keine Lösung. Wir haben in unserer Vorstudie problematische Tendenzen aufgezeigt, nun brauchen wir mehr Fakten. Wir müssen die Gründe kennen, warum diese Kindergärten so attraktiv sind und was sie genau vermitteln. Erst dann können wir über potentielle Schließungen reden.

 

Laut unserer Recherche sind es oft die Eltern, die eine religiöse Erziehung einfordern, die Betreiber gehen darauf ein. Wie könnte man das besser lösen?
Religion im Kindergarten zu verbieten ist kontraproduktiv, denn sie kann auch viel zur Integration beitragen. Religion sollte im Kindergarten daher nicht kriminalisiert werden. Wie viel Religion ein Kindergarten verkraften kann, muss aber definiert werden. Man kann Kinder von der Gesellschaft isolieren oder darauf vorbereiten.  

Wir waren in zwei Kindergärten der Islamischen Föderation, die Sie in Ihrer Vorstudie besonders kritisch erwähnt haben. Einer davon hat uns durch dessen Professionalität überrascht. Muss man da nicht stärker differenzieren?
Das ist möglich. Ich glaube trotzdem, dass man die Betreiber der Kindergärten und ihre Motive stärker begleiten muss. Außerdem wird die religiöse Bildung nicht von Pädagoginnen angeboten, die sie angesprochen haben. Die Kinder zur Pluralitätsfähigkeit zu erziehen erfordert eine besondere Qualifikation, die wir leider in den Kindergärten vermissen. In diesem Prozess befindet sich auch eine Aufgabe für die muslimischen Kindergärten dahingehend, dass sie die Eltern ein Stück weit mitnehmen, denn sonst kann eine Erziehung, die wir unreflektiert weitergeben, zur Isolation führen.

Wir haben eine Abschottung der Kinder wahrgenommen, aber keine Radikalisierung.
Seit der medialen Aufregung haben viele Kindergärten problematische Passagen aus dem Netz entfernt und sind sehr vorsichtig geworden. Zudem ist es oft überhaupt schwierig radikale Aussagen von gängigen Islam-Lehren zu unterscheiden. Viele Muslime sind sehr tolerant, obwohl die klassisch-islamische Theologie noch sehr konservativ ist und dafür keine theologische Begründung liefert.

Sollten öffentliche Kindergärten mehr Angebote für muslimische Kinder machen?
Es hilft sicher, muttersprachliche Mitarbeiter zu beschäftigen, die mit interreligiösen-und kulturellen Kompetenzen die Sorgen der religiösen Eltern kennen. Es gibt aber gute Gründe, warum Religion im öffentlichen Kindergarten keine besondere Rolle spielen darf. Es kann nicht jede Religion verlangen, dass im öffentlichen Kindergarten ihre Vorstellungen umgesetzt werden. Bei 19 Religionsgemeinschaften ist das unmöglich. Zudem gibt es genügend Atheisten, die Religion in öffentlichen Einrichtungen ablehnen. Generell möchte ich sagen: Demokratie muss von allen Gruppen getragen und nicht nur konsumiert werden. Es kann nicht einfach jede Gruppe alles verlangen, aber auf nichts verzichten wollen.

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