Grenzgewalt: “Wir haben der heimischen Politik mehr als genügend Beweise geliefert”

21. Juni 2021

Im Zuge des Weltflüchtlingstags überreichten die SOS Balkanroute und das Border Violence Monitoring Network Beweisstücke über illegale Pushbacks und Grenzgewalt an Nationalratsabgeordnete. Von den dort vertretenen Parteien ist einzig die FPÖ der Einladung nicht gefolgt. Die Übergabe erfolgte durch den Obmann der SOS-Balkanroute, Petar Rosandić und Natalie Gruber, Obfrau der NGO Josoor und der österreichischen Vertreterin des Border Violence Monitoring Networks (BVMN) vor dem Innenministerium.

 

13.000 Menschenrechtsverletzungen und 900 Zeugenaussagen 

 

Auf 1.500 Seiten und insgesamt zwei Bänden wird in den “Schwarzbüchern der Pushbacks” die Brutalität des europäischen Grenzregimes geschildert. Insgesamt hält das Border Violence Monitoring Network (BVMN), die Initiatoren der Dokumentation der Grenzgewalt, um die 13.000 Menschenrechtsverletzungen und 900 Zeugenaussagen fest. Dabei widmet sich der zweite Band alleinig der Grenzgewalt an der kroatischen Grenze, nur knapp drei Autostunden von der Grenze Österreichs entfernt. Pushbacks beschreiben die Praxis von staatlichen Behörden, Menschen auf der Flucht - ohne auch nur die Möglichkeit, einen Asylantrag zu stellen - ohne Verfahren und somit illegal über eine Grenze zurückzuschieben. Auch in Österreich werden Menschen auf der Flucht illegal über die Grenzen ausgestoßen. Das Black Book führt sogar Fälle an, die in Bad Radkersburg über die EU Außengrenzen und somit nach Bosnien und Herzegowina zurückgeschoben wurden. „Tatsache ist: auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene sind Pushbacks illegal. All das ist Absicht und all das ist nicht auf einzelne Länder beschränkt, sondern die gesamte EU-Politik“, erläuterte Natalie Gruber (BVMN). 


Übergabe der Black Books vor dem Innenministerium
Foto: Murtaza Elham

 

Ute Bocks Bosniens 

 

Aus erster Hand haben auch die Helferinnen Amina und Merdijja-Ajnul Kobilica, die aus Bosnien angereist sind, über Fälle von systematischer Grenzgewalt seitens der kroatischen Behörden berichtet. Die Schwestern und Studentinnen aus Bosnien versorgen fast täglich bis zu 200 Menschen auf der Flucht in Zenica, einer Kleinstadt nahe Sarajevo. Als Einzelpersonen haben sie in Zeiten der Krise durch ihre humanitäre Arbeit mehr bewegt als so manche politischen Schlüsselfiguren. “Anders kennen wir es nicht, so wurden wir von unseren Eltern erzogen”, sagte Amina Kobilica in ihrer Rede.

Petar Rosandić, Amina Kobilica, Merdijja-Ajnul Kobilica und Natalie Gruber im Parlament
Foto: Christopher Glanzl

 

Genug bewiesen 

 

Ungeachtet des reichlichen Beweismaterials wie Investigativrecherchen, Medienberichten und Videos zu Pushbacks, wird illegale Grenzgewalt seitens der verantwortlichen Politik oft geleugnet oder gar dementiert. Während Vertreterinnen der NEOS, Stephanie Krisper, der SPÖ, Nurten Yilmaz und der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic die Pushback Dokumentationen als Anklageschrift ansehen, sah Gudrun Kugler die Reden der Aktivist:innen als einen Angriff und betonte die geordnete Migrationspolitik der ÖVP, ohne die Delikte der österreischen Regierung bezüglich Grenzegewalt zu erwähnen. 

 

“Diese Übergabe war zugleich eine historische, denn sie wird - wenn es um Österreich geht - zugleich unsere letzte sein. Wir haben der heimischen Politik mittlerweile mehr als genügend Beweise geliefert. Irgendwann ist Schluss“, erklären Petar Rosandić und Natalie Gruber.

 

Bereits vor einem Jahr wurden bis dahin festgehaltenen Beweise für Grenzgewalt an Justizministerin Alma Zadić sowie an die Nationalrats-Parteien übergeben.

 

Petar Petar Rosandić, Obmann der SOS-Balkanroute mit den Black Books
Foto: Murtaza Elham

 

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